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Eine Tote als Kuriosität

Von Bernhard Baumgartner

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Man muss es zugeben: Im Weltgeschehen ist es momentan eine Nebenfront. Und dennoch brennt es dem Schweizer Regisseur und Autor Milo Rau unter den Nägeln. Denn er fordert die "Befreiung" einer Mumie. Im Barocksaal der St. Galler Stiftsbibliothek, zwischen mittelalterlichen Handschriften, liegt seit mehr als 200 Jahren als exotische Kuriosität - und heimliche Hauptattraktion - die altägyptische Mumie Schepenese. Die Tochter eines Priesters lebte vor rund 2.600 Jahren. Und sie ereilte ein Schicksal, das sie mit vielen Mumien teilt: Grabraub, Verkauf nach Europa, um dann in einem Spektakel ausgewickelt und zur Schau gestellt zu werden.

Rau will nun mit der Preissumme des St. Galler Kulturpreises, der ihm am Donnerstag verliehen wird, die Rückführung der Mumie nach Ägypten finanzieren. Mit dem Preisgeld von 30.630 Euro soll Schepenese dort eine Ruhestätte finden. Für die ägyptische Filmemacherin Rabelle Erian ist das auch eine "Wiedergutmachung eines alten Unrechts". Denn auch wenn die Provenienz der Mumie so gut wie möglich geklärt sei, so blieben doch am Anfang der Kette der Grabraub und am Ende eine ethisch und juristisch fragwürdige Attraktion, so Erian.

Die Aktion wirft auch eine Grundfrage auf: Wie gehen wir mit der Austellung toter Körper in historischen Sammlungen um? Vielfach wird hier keine zufriedenstellende Präsentation gefunden, die ein schauriges Glotzen verhindert und ein interessiertes Schauen zulässt. Eine Gratwanderung.