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Das griechische Drama geht in Katar weiter

Von Christoph Rella

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Der Fall Eva Kaili schadet nicht nur dem Sport, sondern vor allem der Demokratie.


Als Griechenland bei der EM 2004 in Portugal überraschend den Titel holte, war die Welt in und rund um die Ägäis noch in Ordnung. Wenige Wochen später wurden in Athen mit viel Pomp die Olympischen Sommerspiele eröffnet, das Geld war, nachdem man 2001 mit falschen Zahlen den Beitritt zum Euro ergaunert hatte, abgeschafft, und unter der Akropolis feierte man den Sport und die neue Ära des offenen Geldhahns. Der Unterschied ist nur: Während sich Katarer und Chinesen ihre Gastgeberrollen bei WM und Olympia dank Öl- und Devisenreserven leisten konnten, war das bei den Griechen nicht der Fall. Die Olympischen Spiele kosteten den Staat, der außer weißen Stränden und Oliven nicht viel zu bieten hat, Milliarden - viel Geld, das spätestens mit dem Aufkommen der Finanzkrise 2009 plötzlich fehlte.

Jahrelang stand Griechenland auf der EU-Sanktionsliste, bis es nach und nach wieder von der Leine gelassen wurde. Gelernt haben die Politiker in Athen aus der Misere, so scheint es, aber leider nichts. Man hielt einfach nach neuen Geldgebern Ausschau - und fand sie in Peking und, wie sich nun herausstellt, offenbar auch in Doha. Während die einen das griechische "Hafensilber" verhökerten und zahlende Chinesen mit Schengen-Visa belohnten, ließen sich die anderen die Euros aus Katar in Säcken nach Brüssel tragen. So sieht das zumindest die belgische Staatsanwaltschaft. Sie ließ am Wochenende unter anderem die sozialistische Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili, wegen des Verdachts der Korruption in Haft nehmen, nachdem man in ihrer Wohnung 600.000 Euro in bar entdeckt hatte.

Glaubt man den Ermittlern, so stammt dieses Geld vom Regime in Katar, das auf diesem Wege Einfluss auf die europäische Politik nehmen wollte - und die Ex-Moderatorin und nun auch Ex-Vizepräsidentin Kaili lieferte tatsächlich. Erst vor drei Wochen stellte sie sich im EU-Parlament hin und pries Katar in der Frage der Arbeiterrechte allen Ernstes als "Vorreiter". Das ist natürlich blanker Holler und respektlos gegenüber all den Bauarbeitern, die in Katars Sonne schuften und in einigen Fällen sogar ihr Leben lassen mussten. Befremdlich ist nicht nur, dass eine Vizepräsidentin so etwas in einem Parlament behaupten darf, sondern auch, dass ihre Aussage in Europa keine hörbaren Proteste auslöste.

Nun ist das Korruptionsproblem gewiss kein genuin griechisches. Auch lässt sich nicht behaupten, dass Frauen weniger anfällig für Geldsacklieferungen aus dem Orient wären. Die Gier ist ein Hund - und der beißt jeden, der sich beißen lässt, wie etwa Ex-Fifa-Chef Sepp Blatter erfahren musste. Besorgniserregend ist nur, dass mit dem Fall Kaili eine Mandatarin eines Parlaments am Pranger steht, was der EU im Besonderen und der Demokratie im Allgemeinen schaden wird. Und all das nur, weil sich einige Fifa-Funktionäre und Scheichs eingebildet haben, eine WM in der Wüste auszurichten? Wenn man eine Lehre aus den Fällen Griechenland, Katar und Co. ziehen will, dann diese, dass die Vergabe von Sportgroßturnieren in Zukunft nur aufgrund klarer Kriterien erfolgen darf - wie etwa Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Umwelt- und Ressourcenschutz. Das griechische Drama sollte hier genügend Ansporn sein.