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Netflix mag keine Denker (mehr)

Von Christina Böck

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Es ist natürlich nicht das erste Mal, dass ein Sender eine Serie nach der ersten Staffel einstellt. Es ist nicht einmal das erste Mal, dass ein Sender einer Serie nicht die Auflösung eines Rätsels vergönnt. Gequälte TV-Freunde erinnern sich vielleicht noch an die Sci-Fi-Mystery "FlashForward", die vor einer erlösenden Beantwortung jeglicher aufgeworfenen Fragen eingestellt wurde. So ist es nun auch "1899" ergangen, dem Nachfolgeprojekt der Macher des Überraschungserfolgs "Dark". Die bis dato teuerste deutsche Serie hat Netflix nach einer Staffel beendet. Eigentlich war sie auf drei Staffeln ausgelegt. Und wer "Dark" kennt, weiß, dass das viele ausgelegte erzählerische Spuren bedeutet, die nun für immer ins Nichts laufen.

Der Aufschrei im Netz war vergleichsweise groß. Wohl auch, weil es einen schon länger zu beobachtenden Paradigmenwechsel bei Netflix zementiert. Denn vor nicht allzu langer Zeit stand der Streaming-Sender - und das ganze neu aufgekommene Medium an sich - für den Mut, Experimente durchzuziehen, ausgetretene Mainstream-Pfade der linearen TV-Sender hinter sich zu lassen. Diese Zeiten scheinen vorbei, wenn man einer intellektuell etwas ambitionierten Produktion, die die grauen Zellen anspornt, nicht einmal zwei Monate Zeit lässt, überhaupt Seher zu gewinnen. Viele haben "1899" noch gar nicht gesehen und werden sich nun hüten, damit zu beginnen. So torpediert sich Netflix selbst. Aber vielleicht besinnt sich ja ein anderer Streamer seiner Wurzeln und kauft die Serie.