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Frühling mitten im Winter

Von Thomas Seifert

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Klimapanik wird die Menschheit leider nicht weiterbringen, leider gibt es aber wenig Grund für Optimismus.


Der Schneeberg wird seinem Namen derzeit nicht gerecht: Rund um die Kaiserin-Elisabeth Gedächtniskirche - sie liegt immerhin auf 1.796 Metern Höhe auf dem höchsten Berg Niederösterreichs - lag am Mittwoch kein Flöckchen Schnee. Puchberg am Schneeberg sprengte am 1. Jänner überhaupt alle Temperaturrekorde: 19,7 Grad Celsius - der wärmste Jahresbeginn Österreichs seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Das schrieb auch ORF-Wetterexperte Marcus Wadsak auf Twitter: "In Österreich hatten wir gestern den wärmsten Jahresbeginn seit Messbeginn, in vielen Teilen Europas war es der wärmste Jännertag ever."

Eine Hitzewelle in Europa - und das mitten im Jänner. Den derzeitigen Wetterprognosen zufolge werden die Temperaturen auch bis zum Ende der Woche weit über den für diese Jahreszeit üblichen Messwerten zu liegen kommen.

Der Wintertourismus verkommt angesichts der schmalen Kunstschneebänder, die sich auf saftig grünen Hängen ins Tal ziehen, zur Groteske. Die Touristiker in den Regionen entlang des Alpenbogens werden ihre Wintertourismuskonzepte überdenken müssen - das hat es auch schon beim Beginn der Corona-Pandemie geheißen, passiert ist bisher freilich wenig. Doch die Auswirkungen des Schneemangels und der hohen Temperaturen werden bis weit in den Osten Österreichs spürbar werden: Die Schnee- und Eisdecke des Winters fungiert als Wasserdepot, das im Frühling abschmilzt. Freilich: Es kann noch Schnee kommen, der astronomische Winter ist noch lang. Der Trend geht aber - und das hat die Wissenschaft vorausgesagt - in Richtung viel zu warm, viel zu trocken.

Wer durch die Rekordhitze des Sommers 2022 nicht schon nachhaltig alarmiert wurde, den sollten zumindest die vergangenen Tage einigermaßen aus der Ruhe bringen. Vor allem: Das ist erst der Anfang. Das Dumme ist: Klimapanik wird die Menschheit leider nicht weiterbringen.

Die große Frage lautet: Wie bringt man die Bürgerinnen und Bürger dazu, den Ernst der Lage zu erkennen und ihr Verhalten zu ändern, ohne einem "Ist eh schon wurscht"-Defätismus weitere Nahrung zu geben? Die kanadische Klimaforscherin Katharine Hayhoe versucht in ihrem Bestseller "Saving us - a climate scientist’s case for hope and healing in a divided world" eine Antwort: Sie schlägt vor, in der Diskussion über die drohende Klimakatastrophe über die persönliche Betroffenheit durch das sich verändernde Klima zu sprechen und nicht darauf zu vergessen, Lösungen aus der Klimakrise zu diskutieren. Ihre Kernbotschaft: Hoffnung statt Verzweiflung und Angst.

Das ist angesichts der derzeitigen Temperaturwerte eine nicht unbeträchtliche Anstrengung.