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Parolen allerorten

Von Walter Hämmerle

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Das Massaker in Norwegen wird bald aus den Schlagzeilen verschwinden - und dann auch aus den Köpfen. Dass sich nichts ändert, dafür sorgen wir schon selbst.


Im Gefolge der Tragödie von Oslo und Utöya werden nun die Grenzen des politischen Diskurses neu verhandelt. Nicht nur in Norwegen, sondern in ganz Europa, selbstverständlich auch in Österreich. Und das in einem der zentralen politischen Topoi unserer Zeit: dem Umgang mit Migration, mit dem Islam, mit dem Fremden schlechthin.

Allerdings ist wohl anzunehmen, dass die Debatte in absehbarer Zeit wieder verschwindet. Das liegt in der Natur ereignisgetriebener Massenmedien und angehängter Bereiche wie der Politik.

Was wollten wir nicht lernen aus den Folgen der Ölpest im Golf von Mexiko 2010, die über Wochen die Nachrichten dominierte. Mit dem Abgang Josef Prölls rückte dann der Raubbau, den Politiker an ihren Körpern betreiben, und das strukturelle Elend der Volkspartei in den Mittelpunkt. Weder am einen noch am anderen hat sich seitdem etwas geändert. Wie auch?

Von den Großereignissen der letzten zwei Jahre hat lediglich die Atomkatastrophe in Fukushima in den politischen Strukturen Folgen hinterlassen - in Form von Rückenwind für den Atomausstieg. (Dessen Folgen für den Klimaschutz werden wohl erst bei der nächsten Zwischenbilanz für Katzenjammer sorgen.)

Nach Oslo und Utöya nun also der x-te Appell zur Abrüstung im Krieg der Worte, zum hehren "Wehret den Anfängen", zur Beschwörung der Gemeinsamkeiten, zum sachlichen Dialog.

Und in der kürzestmöglichen Zeitspanne, die der Anstand erlaubt, ist das Niveau der politischen Auseinandersetzung wieder dort, wo es vor der - angeblich so einschneidenden - Zäsur ohnehin bereits war: sehr, sehr weit unten.

Wer dafür die Verantwortung trägt, darüber entscheidet der Standpunkt des Beobachters. Linke sehen das politische Klima durch rechte Hetzer gegen alles Fremde vergiftet, die Rechten fühlen sich durch Migration um ihre nationale Identität und vertraute Kultur betrogen.

Welche Seite unter den Bürgern über den größeren Rückhalt verfügt, darüber sollten lieber keine Wetten abgeschlossen werden, zumal die Konfliktlinien mitten durch die beiden ehemals großen Parteien gehen. Über das hohe Gut weitgehender Homogenität können sich dabei nur Freiheitliche und Grüne freuen, SPÖ und ÖVP sind - wie bei praktisch jedem anderen Thema auch - zum verwaschenen "sowohl als auch" gezwungen. Das mag vielleicht der Komplexität der Realität entsprechen, ist jedoch Gift im verbissen geführten Kampf um Wählerstimmen, bei dem in aller Regel das klarere Profil den Vorzug erhält.

In einer idealen Demokratie würden die Bürger in ihrer breiten Mehrheit die gesellschaftspolitisch umstrittenen Themen aufnehmen und verhandeln. Eine solche Demokratie gibt es aber nicht - nicht einmal, wie derzeit schmerzlich zu erfahren, im stets gelobten Skandinavien.

Stattdessen nehmen sich die Ränder (auch Eliten sind nur ein Rand) der Gesellschaft des heißen Eisens an. Mit Verve und Furor selbstredend, denn die Frage nach dem Umgang mit dem Fremden ist stillschweigend längst zur Gretchenfrage unserer Politik geworden, die Land und Leute teilt. Beileibe nicht nur in Österreich, sondern überall.

Blöd nur, dass wir immer noch nicht die politischen Foren und Formen gefunden haben, diese zu verhandeln. Deshalb werden auch künftig Parolen regieren, wohin das Auge fällt.

Aber Gott sei Dank kann man sich ja immer noch auf eine Verschärfung der Gesetze einigen. Das hat bekanntlich noch nie geschadet.