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Pawljutschenko, Exilpolitiker ohne Heimweh

Von Alexander U. Mathé

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Ein russischer Gemeinderatsabgeordneter und Spitzensportler zeichnet nach drei Jahren Aufenthalt in England seine Heimat in düsterem Licht.


Roman Anatoljewitsch Pawljutschenko steht bei Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin sicher nicht ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Im Oktober 2008 wurde er in die Duma - also das Parlament - seiner Heimatstadt Stawropol gewählt. In dem 400.000-Seelen-Ort im Südwesten Russlands trat er für die Partei "Einiges Russland" an, deren Chef Putin ist. Doch während der ehemalige (und wahrscheinlich auch künftige) Präsident gerne mit betontem Stolz beschreibt, wie gut sein Land ist, geht Pawljutschenko den entgegengesetzten Weg.

In einem Interview mit dem führenden russischen Sportportal im Internet, "sportbox.ru", schilderte der 29-Jährige Russland in den finstersten Farben. Dabei ist Pawljutschenko so etwas wie ein Nationalheld und ein Schmuckstück für seine Partei. Hauptberuflich ist er nämlich ein Fußballspieler der Spitzenklasse. Er war maßgeblich an der Qualifikation der russischen Nationalmannschaft für die Europameisterschaft 2008 beteiligt, indem er in der Endphase die entscheidenden zwei Tore für den Sieg gegen England schoss. Zu seinen größten Fans gehören nicht zuletzt seine Frau Larisa, die er gleich nach der Matura heiratete, und seine vierjährige Tochter Kristina.

Seinen politischen Aufgaben nachzukommen, wurde Pawljutschenko dadurch noch erschwert, dass er kurz vor seiner Wahl zum Abgeordneten von seinem Klub Spartak Moskau nach London zu Tottenham Hotspur wechselte. Das Leben in der britischen Hauptstadt hat ihn tief beeindruckt. Dermaßen, dass er nun offenbar gar nicht mehr nach Russland zurück will. Gerüchten, wonach er bald wieder zu einem russischen Klub wechseln könnte, erteilte er in dem Interview mit "sportbox.ru" eine Absage und lieferte die Gründe gleich mit.

"Hier (in London, Anm.) weiß man im Gegensatz zu uns zu leben. Man fühlt, dass man selbst ebenso in Sicherheit ist, wie die Familie und die Kinder", erklärte Pawljutschenko. "Bei uns wird jeden Tag jemand ermordet, oder es explodiert etwas. Betrunkene Autofahrer führen Fußgänger über den Haufen, Flugzeuge stürzen ab und manchmal stellt sich heraus, dass auch die Piloten besoffen waren", führte er weiter aus und rundete schließlich das negative Klischee der Russen noch ab: "Wir Russen sind aggressive Menschen. Wenn man sich die Engländer ansieht und unter ihnen lebt, wird man richtiggehend höflich und zwar in allen Lebenslagen."

Während einige Pawljutschenkos Worten zustimmten, waren andere weniger davon angetan: "Dann bleib doch in England, Du Undankbarer", kommentierte ein Leser. Dass Putin von den Aussagen begeistert ist, ist ebenso unwahrscheinlich wie dass der Fußballer wieder für eine Duma-Kandidatur aufgestellt wird. Ihm wird es wohl egal sein.