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Ein kühner Versuch

Von David Ignatius

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Die geheimen Gespräche zwischen den USA und den Taliban sind Voraussetzung zur Beendigung des Kriegszustandes in Afghanistan.


Die meisten Beobachter sind skeptisch, ob die geheime Diplomatie, die zwischen den USA und den Taliban stattfindet, irgendwelche Durchbrüche bewirken kann. Durchaus bemerkenswert ist aber, dass die Gespräche überhaupt stattfinden. Skizziert wurde der Weg zu Verhandlungen im vorigen Februar, als US-Außenministerin Hillary Clinton einen Rahmen für eine politische Einigung im Afghanistan-Krieg vorlegte. Weitgehend unbemerkt blieb, dass sie die früheren Vorbedingungen der USA für eine Teilnahme der Taliban fallen ließ - zum Beispiel, sich von Al-Kaida abzuwenden und die afghanische Verfassung zu unterstützen.

Als Clinton ihre Rede hielt, waren bereits Vertreter der USA und der Taliban in Deutschland inoffiziell zusammengetroffen. Und seither haben sie sich mehrmals getroffen. Es hat rund ein halbes Dutzend Gespräche gegeben, meist in Deutschland und in Katar. Der nächste Schritt für die Taliban wird sein, eine offizielle Vertretung in Katar zu eröffnen.

Der Vertreter der USA bei diesen Gesprächen war meistens Marc Grossman, der den Posten als Sondergesandter für Afghanistan nach dem Tod von Richard Holbrooke übernommen hat. Grossman ist ein Diplomat im Ruhestand mit der stillen, zurückhaltenden Art eines George Smiley, also das Gegenteil des extrovertierten Holbrooke, aber das ist bei einem scheuen Gegner wahrscheinlich hilfreich.

Der Vertreter der Taliban ist Tayeb al-Agha, ein Berater von Taliban-Führer Mohammad Omar. Agha spricht gut Englisch und soll sich sehr professionell benehmen. Nach Berichten von mir und anderen über seine Rolle soll er verschwunden gewesen sein. Tatsächlich setzte er aber im Sommer und im Herbst vorigen Jahres seine Treffen mit Vertretern der USA fort.

Bisher waren die Treffen mit Agha "vertrauensbildende Maßnahmen", wie Diplomaten das nennen. Es wird angenommen, dass die Taliban bald Erklärungen abgeben, den internationalen Terrorismus abzulehnen und den politischen Prozess in Afghanistan zu unterstützen - erste Schritte in Richtung Absage an Al-Kaida und Unterstützung der afghanischen Verfassung. Die Taliban haben zugesichert, dass ihre Vertretung in Katar weder zum Rekrutieren noch für Propaganda genützt wird. Die Taliban selbst wollten nach Katar, entgegen den Vorschlägen der USA und Afghanistans, die sich für die Türkei und Saudi-Arabien starkmachten.

Die Eröffnung der Taliban-Vertretung in Katar hätte schon am 5.Dezember bei einem internationalen Treffen in Bonn angekündigt werden sollen, aber Afghanistans Präsident Hamid Karzai sträubte sich in letzter Minute, aus Angst, zu Hause keinen Konsens dafür zu finden.

Wenn die Taliban-Vertretung in Katar nun doch eröffnet wird, hoffen die USA, dass die afghanische Regierung und die Taliban selbständig "vertrauensbildende Maßnahmen" austauschen. Das Ganze ist ein kühner Versuch, aber Tatsache ist auch, dass alle Kriege einmal enden - beginnend zum Beispiel mit einem Prozess wie diesem.



Übersetzung: Redaktion

Originalfassung "Getting the Taliban to the table"