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Da Silva, von der Favela ins Parlament

Von Alexander U. Mathé

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Das brasilianische Parlament hat eine Abgeordnete für ihr Lebenswerk geehrt, die es aus den ärmsten Verhältnissen nach ganz oben geschafft hat.


Das brasilianische Parlament hat Benedita da Silva für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Damit ehrte es die 68-jährige Abgeordnete für ein Leben, das von Kampf für Gleichberechtigung und gegen Rassismus geprägt ist.

Am 26. April 1943 erblickte Benedita in einer Favela Rio de Janeiros das Licht der Welt. Ihre Mutter war eine Umbanda-Priesterin, einer esoterischen afro-brasilianischen Religion; ihre Großmutter war noch eine afrikanische Sklavin gewesen. Benedita war das 13. Kind ihrer verheirateten Mutter und Produkt einer Affäre mit einem anderen Mann. Stark untertrieben kann man ihre Kindheit als schwer bezeichnen.

Mit fünf Jahren hatte sie ihren ersten Job. Sie lieferte die Wäsche aus, die ihre Mutter wusch, während ihr Vater Autos reinigte. Mit sieben wurde sie vergewaltigt, mit elf arbeitete sie in einer Gürtelfabrik. Als sie 16 war, starb Benedita Silvas Mutter, woraufhin sie wenig später von ihrer Familie verheiratet wurde. Das Leben wurde dadurch nicht einfacher für das Mädchen, das sich später als dreifach unterprivilegiert bezeichnen sollte ("schwarz, weiblich, arm"). Benedita da Silva gebar fünf Kinder, von denen nur zwei überlebten. Als Putzfrau, Köchin und Straßenverkäuferin versuchte sie ihre Familie über Wasser zu halten. Gleichzeitig begann sie sich in ihrer Gemeinde zu engagieren. Noch unter dem strengen Militärregime kämpfte sie dafür, dass die Stadtregierung von Rio ihr Viertel mit Wasser und Elektrizität versorgte und eine Grundschule errichtete. Ihr Engagement führte sie zur politischen Opposition, in der sie schließlich mithalf, die Arbeiterpartei zu gründen. Sie gewann bei den ersten freien Wahlen in Rio 1982 und wurde Gemeinderätin. Nach den ersten freien Parlamentswahlen 1985 machte ihre Partei sie zur ersten schwarzen Abgeordneten in Brasilien. Sie arbeitete an der neuen Verfassung mit und setzte sich speziell für Gesetze gegen rassistische Verbrechen ein, für eine viermonatige Karenz und für die Angleichung von Frauengehältern an jene von Männern.

1994 wurde sie als erste Frau in den Senat gewählt und 2002 Gouverneurin des Staates Rio de Janeiro. Durch ihr Engagement für benachteiligte Bevölkerungsschichten war sie 2003 für den damaligen Präsidenten Lula da Silva die Idealbesetzung für den Posten als Ministerin für Soziale Aktion. Nach dem Vorwurf, Staatsmittel für eine religiöse Reise verwendet zu haben, trat sie 2004 wieder ab. Dennoch wurde sie schon im folgenden Jahr für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Seit einem Jahr sitzt sie wieder im brasilianischen Parlament, in das sie 2010 gewählt wurde.