Zum Hauptinhalt springen

Journalist auf Abwegen wird Israels Premier gefährlich

Von Alexander U. Mathé

Kommentare

Der Moderator Yair Lapid geht in die Politik und hat auf Anhieb | gute Chancen auf eine Parlamentsmehrheit.


Yair Lapid war der wohl beliebteste Nachrichtenmoderator in Israel. Doch dieser Job, dieses Leben, war ihm zu bequem. Vor kurzem hat er daher erklärt, "ein hart arbeitender Politiker" werden zu wollen. Er kündigte seine Anstellung beim Fernsehsender Arutz 2 und wurde umgehend zum größten Konkurrenten von Premier Benjamin Netanyahu. Die Umfragen prognostizieren Lapid nämlich bis zu 20 der 120 Sitze in der Knesset, sollte er eine eigene Partei gründen. Damit wäre er die zweite Kraft im Land und hätte gute Chancen, im Verband mit anderen Parteien eine Regierungsmehrheit zu stellen. Die Wahlen finden zwar planmäßig erst nächstes Jahr statt, doch in Israel ist die Ausschöpfung der Legislaturperiode mehr die Ausnahme als die Regel. Politische Beobachter glauben, dass es noch heuer zu vorgezogenen Neuwahlen kommen könnte.

Besonders Kapital schlagen dürfte der moderat-liberal gesinnte Lapid aus den sozialen Unruhen, die Israel vorigen Sommer in Bann hielten. Keiner Partei gelang es so richtig, die Aktivisten der wochenlangen Proteste für sich zu vereinnahmen. Lapid könnte das mit seiner Positionierung in der politischen Mitte und links davon gelingen. Er gilt als Pragmatiker und Patriot, mit einem Herzen für soziale Themen.

Auch sein säkulares Image verschafft ihm ausreichend Kontrast zu Netanjahus rechtem und orthodoxem Regierungsbündnis. Lapid hat in der Vergangenheit gefordert, dass jeder Israeli Militärdienst leisten müsse, was wohl bei den streng Orthodoxen, die vom Militärdienst befreit sind, nicht so gut ankommen dürfte, dafür umso mehr bei jenen, die sich zunehmend dagegen wehren, dass sich die strenge Lebensweise der Orthodoxen durchsetzt.

Dennoch hat man den Eindruck, dass Lapid eher für Frieden als für die Armee steht. Immerhin sprach er sich für eine Verringerung der Militärausgaben aus und forderte einen weitgehenden Rückzug aus dem Westjordanland. Früher sprach er sogar von der Rückgabe der Golan-Höhen an Syrien. Dass diese Meinung angesichts der aktuellen Situation noch aktuell ist, dürfte aber eher zweifelhaft sein.

Lapid steigt mit seinem beruflichen Wandel in die Fußstapfen seines Vaters, Josef "Tommy" Lapid, der ebenfalls vom Journalismus in die Politik wechselte und es zum israelischen Justizminister und Vizepremier brachte.

Die bloße Erwähnung einer möglichen Kandidatur Yair Lapids hat dazu geführt, dass die Gesetzgeber ein Gesetz vorbereiten, laut dem Journalisten künftig mindestens sechs Monate pausieren müssen, ehe sie in die Politik gehen können.