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Neyestani, im Zeichen der Kakerlake

Von Alexander U. Mathé

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Ein iranischer Karikaturist hat in Frankreich Asyl beantragt, wo er vor kurzem ein Buch über seine Erlebnisse veröffentlicht hat.


Kakerlaken zieren den vorderen und den hinteren Umschlag des Buchs von Mana Neyestani. Es war auch eine Kakerlake, die am Anfang eines schwarzen Kapitels seines Lebens stand. Der iranische Karikaturist zeichnete 2006 im Jugendteil einer staatlichen Zeitung das Insekt, das im Gespräch mit einem Buben das Wort "Namana" sagt. Das bedeutet umgangssprachlich auf Farsi so viel wie "Hä?", stammt aber aus dem Aserbaidschanischen. Die Minderheit der Aseri fühlte sich provoziert. Nachdem sie sich schon lange von der Regierung in Teheran schlecht behandelt fühlte, war Neyestanis Karikatur Auftakt zu blutigen Unruhen mit zig Toten und hunderten Verletzten. Neyestani und sein Chefredakteur wurden verhaftet. Sie teilten sich in dem für politische Häftlinge und Folter berüchtigten Evin-Gefängnis eine Zelle, die zwei Mal zwei Meter groß war. 50 Tage verbrachten sie dort, danach wurde Neyestani noch weitere drei Monate ohne Anklage festgehalten. Einen Freigang nutzte er sofort zur Flucht. Mit seiner Frau flog er in die Vereinigten Arabischen Emirate, die ihm allerdings nicht helfen wollten. Über die Türkei und China landete er schließlich in Malaysia. Er zeichnete weiter und bis heute sind seine Karikaturen äußerst gefragt - auch im Iran, via Internet. Doch wer dort einen Blick auf sie erheischen will, liefert sich meist einen Wettlauf mit der Zensurbehörde.

Eigentlich ist Neyestami ja Architekt. Doch in den 1990er Jahren begann er für mehrere Magazine Karikaturen zu zeichnen und wurde politischer Karikaturist, was ihm die Missgunst der Regierung einbrachte. Dabei sieht er sich selbst gar nicht als politischen Menschen. "Aber da im Iran alle Lebensaspekte kontrolliert werden, ist auch jede Abweichung von der Norm hochpolitisch", sagte er einmal in einem Interview.

Über das, was ihn im Iran erwarten würde, macht er sich keine Illusionen. Der Staatsanwalt hat ihm die Toten und die Zerstörung bei den Unruhen 2006 angelastet und die Höchststrafe gefordert. Vor einem Jahr ist der 38-Jährige nach Frankreich gezogen, wo er um politisches Asyl angesucht hat.

"Wenn wir in einem System gefangen sind, in dem wir unser Leben nicht mehr kontrollieren und unser Schicksal nicht mehr bestimmen können, dann kommt das einem kafkaesken Albtraum sehr nahe", sagte Neyestani. Von daher auch der Titel seines Buchs: "Eine iranische Verwandlung". Es erschien letzte Woche in Frankreich und sollte demnächst auch Deutschland, Italien und Spanien erreichen. Es ist ein autobiografisches Werk über die Zeit im Gefängnis. Neyestani will damit dieses Kapitel seines Lebens endlich zuschlagen und hat bereits neue Pläne: "In meinem nächsten Buch werde ich mich auf die iranischen Proteste von 2009 konzentrieren."