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Der Impftrick der CIA

Von David Ignatius

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In Pakistan, Afghanistan und Nigeria kommt es vermehrt zu Infektionen, teilweise, weil Menschen an Impf-Verschwörungstheorien glauben.


Als Geheimdienstoperation muss es wirklich genial gewirkt haben: Man werbe einen pakistanischen Arzt an, Blutproben zu sammeln, durch die Osama bin Ladens Familie identifiziert werden kann - unter dem Deckmantel eines laufenden Impfprogramms. Aus ethischer Sicht sieht die Sache allerdings anders aus. Der Impftrick der CIA hat etwas sehr Wertvolles aufs Spiel gesetzt: Die Integrität öffentlicher Gesundheitsprogramme in Pakistan und weltweit. Und er vermehrt die Gefahren, denen sich NGOs in einer Welt gegenübersehen, die gegen US-Hilfsorganisationen zunehmend feindlich gesinnt ist.

Die Aufmerksamkeit in den USA richtet sich auf die Lage von Dr. Shakil Afridi, den pakistanischen Arzt, der mit seiner Impfkampagne in den Stammesgebieten und der angrenzenden Provinz, in der sich bin Laden versteckt hielt, der CIA half. Er wurde zu 33 Jahren Gefängnis verurteilt, was aufgebrachte Proteste von US-Verteidigungsminister Leon Panetta und US- Außenministerin Hillary Clinton auslöste.

Unter den betroffenen Organisationen ist "Save the Children", die größte ausländische Hilfsagentur in Pakistan. Laut New York Times sagte Afridi den pakistanischen Behörden, dass er von der CIA zuerst über "Save the Children" kontaktiert worden sei - eine Behauptung, die die Organisation abstreitet. Nach dem Tod bin Ladens wurde dem Arzt die Möglichkeit geboten, Pakistan mit seiner Familie zu verlassen.

US-Regierungsbeamte sollten den Fall Afridi nicht nur als empörendes Verhalten Pakistans abtun. Sie haben Recht, dass die Handlungen des Arztes nicht Landesverrat waren: Er suchte nach Informationen über Terroranführer, die Feinde Pakistans waren. Ich hoffe, er kommt frei, aber in jedem Fall sollten er und seine Hintermänner sich mit den moralischen Konsequenzen ihres Handelns auseinandersetzen.

Hier die schmerzliche Wahrheit: Etliche Menschen könnten sterben, weil sie unter der Annahme, Immunisierung sei Teil eines CIA-Komplotts, nicht geimpft werden. In Pakistan, Afghanistan und Nigeria kommt es vermehrt zu Polioinfektionen, teilweise, weil Menschen an Impf-Verschwörungstheorien glauben. Ist die Ausbreitung in diesen drei Ländern nicht zu stoppen, warnt ein neuer Bericht der Weltgesundheitsorganisation, "wird die Polio-Ausrottung scheitern".

"Es hat sicher auch einen besseren, ethischeren Weg gegeben", schreibt Heidi Larson von der Londoner School of Hygiene and Tropical Medicine in einem Kommentar auf der Website des Guardian: "Diese Vorgangsweise setzt das Vertrauen der Menschen in Impfungen aufs Spiel".

Geheimdienstaktionen operieren per definitionem in einer Grauzone, wo normale legale und ethische Regeln verschwimmen. Aber dieser Fall wirft für mich die Frage auf, ob einige Geheimdiensttaktiken, wie der Einsatz von Gesundheitspersonal in Übersee, nicht ausgeschlossen sein sollten. Geht die Aktion schief, sind die Folgen für unschuldige Menschen, wenn auch unbeabsichtigt, zu schwerwiegend.

Übersetzung: Redaktion

Originalfassung "A CIA cover spreads risk"