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Fußball - eine Leidensgeschichte

Von Walter Hämmerle

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Iniesta, Xavi, Pirlo, Özil: Aus den Gesichtern der weltbesten Fußballer ist das Lachen verschwunden. Eine traurige Geschichte.


Man muss es so oft wiederholen, weil es ansonsten vergessen wird: Fußball ist ein Spiel. Und letzter und zugleich höchster Zweck eines Spiels besteht darin, Freude zu bereiten. Sich selbst und allen, die daran teilhaben (im optimalen Fall würden dazu auch die Gegner zählen, aber was ist schon perfekt?).

Die großen Promotoren ihres Sports haben längst verstanden, dass es gleichbedeutend mit dem Tod des Fußballs - und der damit verbundenen Milliardenumsätze - wäre, würde man ihn seines Charakters als "Spiel, das Freude bereiten soll" berauben. Welche Geschichten sollten sonst auch die unzähligen Produktwerbespots mit den Fußballstars der einen großen und der vielen kleinen Welten erzählen, wenn nicht jene von der Freude, die dieses Spiel mit dem Ball so wunderbar perfekt wie kein anderes zu vermitteln imstande ist. Lebensfreude ist als Verkaufargument unschlagbar - und zwar für jedes nur erdenkliche Produkt dieser Konsumgesellschaft.

Wahrscheinlich lautet auch deshalb die Standardempfehlung so vieler Trainer, Analytiker und Manager an ihre Burschen: "Geht raus auf den Platz und habt Spaß".

Wer jedoch in die Gesichter der größten Künstler dieser EM, von Iniesta, Pirlo, Xavi, Özil, Gerrard oder Ronaldo blickt, der sucht vergeblich nach einem Lächeln, ganz zu schweigen von einem Lachen. Ihr Spiel macht vielleicht den Zuschauern und Fans Freude, doch es scheint, nicht ihnen selbst. Iniestas Spielkunst etwa vereint technische Perfektion, Intuition und verinnerlichte Automatismen zu vollkommener Eleganz, aber seine Miene erzählt eine einzige große Passionsgeschichte, die erahnen lässt, welche Anstrengungen und Qualen damit verbunden sind, Fußball auf diesem Niveau zu beherrschen - "spielen" ist dafür der falsche Ausdruck, nur mehr eine Erinnerung an ein längst entschwundenes Damals.

Zinédine Zidane, so hat es im Rückblick den Anschein, war vielleicht der erste große Traurige, der dem Spiel seinen Stempel aufzudrücken vermochte. Er eröffnete eine neue Ära, die dank technischer Brillanz, Dynamik und Eleganz dem Fußball seine bis heute gültige Form gegeben haben. Der Unterschied zum unwiderstehlichen Lachen in den Gesichtern von Roger Milla, dem brasilianischen Ronaldo oder von Maradona könnte nicht augenscheinlicher sein.

Unser Drang zu Perfektionierung hat aus Naturtalenten perfekte Fußballer gemacht; sie hat ein Spiel zum globalen Mega-Event aufgeblasen, von dem und mit dem Millionen Menschen leben und an dem Milliarden tatsächlich Freude haben.

Nur den Spielern selbst ist darob ihre Freude abhanden gekommen. Zumindest erzählen das ihre Gesichter während der Vorführung.