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Wie die Medien unsere Politiker unterdrücken

Von Walter Hämmerle

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Höchste Zeit, dass dies einmal gesagt wurde: Politiker würden nichts lieber tun, als innig zusammenzuarbeiten. Wären da nur nicht böse Kräfte im Spiel.


"Applaus von allen Fraktionen": Davon träumt wohl jeder der 183 Abgeordneten des Nationalrats, nur den wenigsten wird diese Gnade allerdings auch gewährt; und wenn, dann meistens nur einmal in ihrem politischen Leben, wenn quasi alles vorbei ist. Wer von möglichst vielen geliebt, zumindest gemocht werden möchte, sollte besser nicht Politiker werden.

So war das auch vergangene Woche, als Alexander Van der Bellen seine letzte Rede im Hohen Haus hielt, bevor er - eingestandenermaßen äußerst ungern - den lange versprochenen Wechsel in den Wiener Gemeinderat vollzog. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss man erwähnen, dass die Abschiedsrede des grünen Professors gleich mehrfach von wohlwollendem Applaus unterbrochen wurde. Unter anderem, als Van der Bellen auf die Arbeitsbeziehungen zwischen Politikern und Journalisten zu sprechen kam.

Und also sprach der ehemalige Spitzenpolitiker über die spezifische Situation des Live-TV-Spitzenkandidatenduells: "Wenn ich da zu zweit sitze, sagen wir mit Herrn Graf, oder egal, mit wem, mit dem politischen Konkurrenten, dem anderen Spitzenkandidaten, der anderen Spitzenkandidatin: Was erwarten die Journalisten? Das sind zwei Gladiatoren, mindestens einer muss tot liegen bleiben, aber am besten beide!"

Das Protokoll vermerkt hier allgemeine Heiterkeit und - etwas später - Beifall von allen Seiten.

Immerhin: Wenigstens, wenn es gegen die Medien geht, sind die Parteien einer Meinung. Was natürlich keine geringe Leistung der schreibenden und sendenden Zunft darstellt, wenn man in Betracht zieht, wo Österreichs politische Fraktionen überall NICHT einer Meinung sind.

Die Legende von den bösen Journalisten, die durch perfide Manipulationen die bemitleidenswerten Politiker daran hindern, gemeinsam quer über alle Parteigrenzen hinweg an einem Strick zu ziehen, auf dass in diesem schönen, braven Land etwas weitergeht, erweist sich tatsächlich als bemerkenswert langlebig. Dabei mag schon sein, dass die Medien eine besondere Vorliebe für Konflikte haben, und am allerliebsten natürlich auf Personen bezogen.

Allerdings: Vor den medial inszenierten Konflikt, vor das Duell vor der Live-TV-Kamera, setzte die Evolution bekanntlich den politischen Dissens. Diese Unterscheidbarkeit in Inhalt und Stil ist es nicht zuletzt, die den Parteien ihr politisches Profil verleiht.

Dass eben dieses mittlerweile fast bis zur Unkenntlichkeit verwaschen ist, kann man nun wirklich vielen vorwerfen, am wenigsten jedoch den Medien, deren Logik auf dem Aufspüren von Konflikten beruht.

Und was die von den Medienleuten angeblich so befeuerte Selbstzerfleischung der Politik angeht, so werfe derjenige den ersten Stein, der noch nie seinen politischen Konkurrenten gegenüber einem Journalisten angeschwärzt hat.

Van der Bellen, hochverehrt und sympathisch, sieht die Politik ächzen unter dem Joch der Medien. Gar nicht wenige außerhalb der Parteien sehen die Realität genau umgekehrt.