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Drum zweifle, wer sich ewig bindet

Von Walter Hämmerle

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Glücklich, wer einen wohlwollenden Staat sein Heim nennen kann. Dass sich das auch einmal ändern könnte, wird gerne verdrängt.


Optimismus ist bei politischen Menschen ein schöner Charakterzug. Allein schon deshalb, weil er viel zu selten vorkommt. Gemeinhin bestimmt ja eher eine gewisse Grundskepsis das menschliche Handeln gegenüber den Dingen, die da auf uns zukommen. Düstere Merksätze wie "Wer den Frieden will, rüste sich zum Krieg" oder "Der Feind deines Feindes ist dein Freund" finden sich deshalb schon in den ältesten politischen Lehrbüchern der Menschheit.

Eine Skepsis, die durchaus von einer pessimistischen Grundhaltung gegenüber der Natur seines Nächsten gekennzeichnet, darf deshalb durchaus als psychische Grundausstattung des Menschen gewertet werden.

Bis vor relativ kurzer Zeit galt dieses Misstrauen auch dem Staat. Von Menschen für Menschen gemacht, hatte er sich lange ein gewisses Maß an Skeptizismus durchaus verdient. Linke Denker sahen deshalb im Staat lediglich ein Herrschaftsinstrument des Klassenfeindes; Konservative fürchteten durch ihn die Zerstörung der natürlichen sozialen Ordnung, die um die Familie kreiste; und Liberale wiederum trauten ihm nicht über den Weg, wenn es um die Bewahrung der Freiheit des Einzelnen ging.

Heute ist es dem Staat in seiner mitteleuropäischen Ausprägung gelungen, alle diese Vorbehalte gegen sein Tun und Walten auszuräumen. Und, so wunderbar das auch klingt, sogar alle auf einmal. Die Linke setzt auf den Staat, um ihre Ideale von Gleichheit und Brüderlichkeit durchzusetzen; die Konservativen glauben, befürchten das Ende der Kernfamilie bei einem Wegfall der öffentlichen Förderungen; und dass nur ein starker Staat die Freiheitsrechte des Individuums zu sichern vermag, davon muss man längst keinen Liberalen mehr überzeugen.

Wir leben also in einem wohlwollenden Staat, der sich seit Jahrzehnten nach Kräften bemüht, auch noch die unterschiedlichsten Interessen zu vereinen. Entsprechend groß ist die allseitige Bereitschaft, dem Staat alles zu geben, was dieser für die Erledigung seines segensreichen Wirkens zu benötigen glaubt; neben Finanzmitteln in ausreichendem Ausmaß sind dies vor allem Informationen über jeden erdenklichen Lebensbereich, gerne auch, wenn es ins Höchstpersönliche hineinreicht.

Kein Wunder, dass die Erinnerung an Zeiten, als der Staat etwas weniger wohlwollend mit Teilen seiner Schutzbefohlenen umsprang, bis zur Unkenntlichkeit verblasst ist.

Ja, nicht einmal mehr in Fachkreisen wird die theoretische Möglichkeit eines solchen Szenarios debattiert. Ein Staat in geringeren Dimensionen ist für unsere Breiten quasi denkunmöglich geworden. Und wer doch darüber nachdenken will, dem wird kurzerhand die Auswanderung in die USA nahegelegt.

Man muss allerdings kein Sozialstaatsfresser sein, um den Verlust eines intelligenten staatskritischen Skeptizismus als Verlust für die hiesige politische Debatte zu empfinden. Schließlich steht nicht in Stein gemeißelt, dass es die da oben immer gut mit uns da herunten meinen werden. Irgendwie ist uns irgendwann der Sinn für diese Möglichkeit abhanden gekommen.