Zum Hauptinhalt springen

Warum Nikolaus Berlakovich gehen sollte

Von Christian Ortner

Kommentare
Christian Ortner.

Der Landwirtschaftsminister gab Steuergeld-Millionen entweder ahnungslos oder achtlos aus.|Sein Rücktritt wäre das Beste, was er der ÖVP antun könnte.


Wenn Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich (ÖVP) es für angemessen hält, dass die Website seines Ministerium je nach Lesart zwischen 1,4 und 4,4 Millionen Euro gekostet hat, dann ist er damit durchaus glaubwürdig. Und zwar ungefähr so glaubwürdig wie jene PR-Agentur im Sold des Eurofighter-Herstellers, die einst 100.000 Euro Honorar für eine Pressekonferenz angemessen fand, oder jene sogenannten Gutachter, die 6 Millionen Euro für ein paar Seiten Text aus der Klagenfurter Steuerberaterkanzlei Birnbacher für angemessen hielten.

Dafür, dass ein Ressortverantwortlicher das Daumen mal Pi Mehrfache des Marktpreises für seine Website zahlen lässt (vom Steuerzahler nämlich), gibt es nur zwei plausible Erklärungen: a) Ahnungslosigkeit und/oder b) Achtlosigkeit im Umgang mit anderer Leute Geld. Dass Berlakovich c) die Unschuldsvermutung in Anspruch nehmen will, wollen wir ja vorerst ausschließen.

In beiden Fällen erwiese er der sauberkeitsmäßig derzeit ohnehin etwas ramponierten ÖVP einen Dienst, stellte er sein Ministeramt zur Verfügung. Jene Kritik, die von der ÖVP mit Recht an mancher finanzieller Gestionierung des Koalitionspartners geübt wird, gewinnt nicht gerade an Glaubwürdigkeit, wenn ein eigenes Regierungsmitglied ahnungslos und achtlos mit Steuergeld umgeht, und das im günstigeren Falle.

Nun mag man mit Recht einwenden, dass ein Politikerrücktritt in Österreich für eine derartige, vergleichsweise läppische Verfehlung in der Realverfassung des Landes nicht vorgesehen ist. Hier tritt man wegen wesentlich gravierenderer Verfehlungen nicht zurück; warum dann wegen einer derartigen Petitesse?

Weil für jeden, der auch nur rudimentäres Gespür für die politische Stimmung hat, der in Form einer Parabolkurve steil ansteigende Unmut der Bevölkerung geradezu physisch greifbar wird; gespeist nicht zuletzt aus all den unzähligen kleineren Geldaffären, die in jüngster Zeit ruchbar geworden sind.

Gerade für hunderttausende kleine Gewerbetreibende, die tendenziell eher die ÖVP wählen würden, ist es durch und durch skandalös, dass da Aufträge in einer Größenordnung vergeben wurden, an die sie selbst mit ehrlicher Arbeit am freien Markt nicht einmal im Traum kämen. Ein junger selbständiger Programmierer, der für eine Website im Normalfall ein paar tausend Euro verrechnen kann, wird sich angesichts solch odioser Vorgänge vermutlich eher die rechte Hand absägen lassen, als damit 2013 die ÖVP anzukreuzen.

Jene Nonchalance, mit der Berlakovich seinen potenziellen Wählern bedeutet, für wie blöd er sie hält, wird seiner Partei noch zusätzlich erheblichen Schaden zufügen; dass Parteichef Michael Spindelegger dazu nur mit den Achseln zuckt, macht diesen Schaden nicht kleiner.

Es ist ja erfreulich, dass die Justiz langsam damit zu beginnen scheint, die ausgedehnten hiesigen politischen Feuchtbiotope nach strafrechtlichen Kriterien zu vermessen. Genauso erfreulich wäre es freilich, würden die ehemals staatstragenden Parteien auch akzeptieren, dass ein Rücktritt manchmal auch fällig sein kann, bevor sich hinter dem Betroffenen die Zellentüren schließen.