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Die US-Innenministerin, die aus dem Nichts kam

Von Alexander U. Mathé

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Sally Jewell ist Leiterin eines konsumgenossenschaftlichen Unternehmens.|Auf sie kommt ein Spagat zwischen Öllobby und Naturschützern zu.


Sally wer? - Selbst die abgefeimtesten Polit-Insider hatten bis zu dieser Woche noch nie etwas von Sally Jewell gehört, geschweige denn sie auf der Liste möglicher US-Innenminister gehabt. Noch am Mittwoch Vormittag hatte nicht einmal die Online-Enzyklopädie Wikipedia einen Eintrag zu der 57-Jährigen. Doch dann, am Nachmittag, landete Präsident Barack Obama seinen Überraschungscoup und nominierte die Präsidentin und Geschäftsführerin des Bekleidungsunternehmens Recreational Equipment Incorporated (REI) als "Interior Secretary".

Jewell war ursprünglich nicht Amerikanerin, sondern nahm erst später die Staatsbürgerschaft an. Geboren wurde sie in England. Als Sally drei Jahre alt war, übersiedelte ihr Vater, ein Anästhesist, mit der Familie in die USA, nachdem er eine Stelle an der Universität Washington erhalten hatte. An derselben Universität machte Sally dann ihren Abschluss in Maschinenbau.

Nach ihrem Studium begann Jewell 1978 für Mobil Oil auf den Ölfeldern in Oklahoma zu arbeiten. Allerdings wechselte sie schon bald ins Bankwesen, wo sie fast zwei Jahrzehnte tätig war, unter anderem als Expertin für das Kreditgeschäft mit der Ölindustrie.

Seit 1996 ist sie im Vorstand von REI, einer Konsumgenossenschaft für Bekleidung für Freilandsport mit 11,6 Millionen Genossen und einem Jahresumsatz von 1,8 Milliarden Dollar. Das Unternehmen ist Jewell wie auf den Leib geschnitten: Wenn sie nicht gerade am Snowboarden oder Kajakfahren ist, besteigt sie in ihrer Freizeit gerne Gletscher und andere eisige Berge. So hat die verheiratete Mutter von zwei Kindern etwa schon den Viertausender Mount Vinson - den höchsten Berg der Antarktis - bestiegen.

Naturschützer sind von der Wahl Jewells begeistert. Nicht nur aufgrund ihrer offensichtlichen Naturverbundenheit, sondern auch, weil ihre Firma 2012 fast vier Millionen Dollar gespendet hat, um Wanderpfade und Naturparks zu schützen. Zudem bezieht REI 20 Prozent seiner Elektrizität aus erneuerbaren Energien.

Gleichzeitig setzt allerdings die Ölindustrie auf Jewells berufliche Ursprünge im Ölgeschäft. Bereits seit langem wächst der Druck, die Bohrungen auf staatlichem Grund auszuweiten. Ein beträchtlicher Balanceakt, der da auf Jewell zwischen zwei diametral entgegengesetzten Polen zukommt.

Was er erwartet, hat Obama bei der Nominierungsansprache deutlich gemacht: Jewell "hat bewiesen, dass eine Firma mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar das Richtige für unseren Planeten tun kann". Nebenbei erhöht er die Frauenquote in seinem Kabinett, die zu vernachlässigen ihm Medien bereits vorgeworfen haben.