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Gemeindewohnung privatisieren - warum eigentlich nicht?

Von Christian Ortner

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Christian Ortner.

Es wäre durchaus im Interesse der Wiener Gemeinde-Mieter, ihnen den Erwerb ihrer Wohnungen zu vernünftigen Konditionen zu ermöglichen.


Die SPÖ, so behauptet sie flächendeckend auf Plakaten, "schützt Gemeindebauten vor den Folgen der Privatisierung". Damit trifft sie zweifellos den Zeitgeist im Multi-Wahljahr 2013 recht präzise; Privatisierungen sind derzeit nicht sehr populär. Dass niemand dazu Berufener ernsthaft eine Privatisierung von Gemeindebauten über den Kopf der Mieter hinweg fordert und der Schutz von Gemeindebauten "vor den Folgen der Privatisierung" daher ein ungefähr so dringliches politisches Projekt ist wie der Schutz des Stephansdoms vor einem Umbau in eine Hochgarage, ist politisch irrelevant. Denn unter den vorherrschenden Bedingungen der "Politik der Gefühle" (wie sie der Schriftsteller Josef Haslinger nennt) zählen nicht die Fakten, sondern bloß die Emotionen.

Dass die SPÖ mit ihrer etwas albernen, aber vermutlich wirksamen "Wir schützen den Gemeindebau"-Kampagne so ungeschoren davonkommen kann, liegt freilich nicht zuletzt an einer völlig sedierten Wiener ÖVP, die sich aus Angst vor der Privatisierungskeule dem Thema nicht angemessen stellt, sondern eher verlegen herumdruckst. Im Vorjahr dachte der Wiener ÖVP-Chef einmal kurz über eine Kaufoption für Besserverdiener im Gemeindebau nach, mehr aber auch nicht.

Eine klassische bürgerliche Position wäre natürlich, dass der Gemeindebau überhaupt nicht "vor Privatisierung geschützt" werden soll, sondern im Gegenteil vernünftig und mit Augenmaß privatisiert gehört. Etwa dadurch, dass all jenen Mietern, die das wünschen, der Erwerb der von ihnen gemieteten Wohnung zu freundlichen Konditionen ermöglicht wird, ohne irgendjemanden zum Kauf zu zwingen. (Denkbar wäre ein Verkauf nicht zu Marktpreisen, sondern zu den im langjährigen Schnitt viel niedrigeren Gestehungskosten der Gemeinde, verbunden mit zinslosen Darlehen oder einer teilweisen Anrechnung geleisteter Mietzahlungen.)

Eine solche freiwillige, langfristig angelegte Vermögensbildung in der Hand bisheriger Mieter hätte den großen Vorteil, dass diese vor allem im Alter ein merkbar höheres Einkommen hätten als jene, die bis zum Ableben Miete zahlen müssen. Für jemanden, der nur über eine schmale Pension verfügt, ist es ein erheblicher Unterschied, ob davon nur die Betriebskosten oder auch noch die nicht mehr gar so niedrige Gemeindebau-Miete weggeht.

Da all diese Neu-Eigentümer ihre Gemeindewohnungen irgendwann einmal vererbten, wüchse über die Jahre die Zahl der Wohnungseigentümer, während jene der Mieter entsprechend zurückginge. Das wiederum brächte nicht nur eine tendenziell gleichmäßigere Verteilung von Besitz (der ja großteils Immobilienbesitz ist) in Wien, sondern hätte auch dämpfende Auswirkung auf die in jüngster Zeit recht munter angestiegenen Mieten.

Beides wären wünschenswerte Konsequenzen, gegen die eine sozialdemokratische Partei genauso wenig einwenden könnte wie eine christlich-soziale Volkspartei. Es gilt nicht den Gemeindebau "vor den Folgen der Privatisierung" zu schützen - sondern den Bürger vor einer faktenfernen Politik, die bloß an Gefühlslagen appelliert.

ortner@wienerzeitung.at