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Franziskus ist Papst, doch wer ist Jorge?

Von Alexander U. Mathé

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Fußballfan, Liebhaber klassischer Musik und Hobbykoch: | das Oberhaupt der katholischen Kirche abseits seines Amtes.


Den Genuss findet Jorge Bergoglio im Kleinen: ein Caffè ristretto an einer Budel irgendwo in Rom, hin und wieder ein Gläschen Wein. Grundsätzlich ist sein Leben von Genügsamkeit geprägt. Er isst Früchte, trinkt gerne Mate - das argentinische National-Teegetränk - und er mag Huhn, jedenfalls solange die Haut nicht dabei ist. Am liebsten isst Bergoglio allein, kocht selbst und wehrt Einladungen zum Essen ab. Doch dann gibt es auch die Momente, da seine Augen vor Vorfreude leuchten, etwa wenn er einem Journalisten der argentinischen Tagezeitung "La Nación" sagt: "Heute haben die Nonnen Bagna Cauda zubereitet." Bagna Cauda, das ist eine Art piemontesisches Fondue, bei dem rohes Gemüse in eine warme Sauce aus Olivenöl, Sardellen und Knoblauch getaucht wird. Das mag bei Bergoglio Gedanken an Italien wecken und an seine Oma Rosa, die 1929 - sieben Jahre vor seiner Geburt - mit seinen Eltern in Argentinien ankam. War es göttliche Vorsehung, dass die Familie damals nur knapp dem größten Schiffsunglück in der italienischen Geschichte entging? Die hatte bereits Tickets für die Überfahrt von Genua nach Buenos Aires an Bord der Principessa Mafalda. Doch die Bergoglios kamen mit dem Verkauf ihres Hausrats nicht voran und gaben die Tickets für das Schiff zurück, das dann vor der Küste Brasiliens unterging und hunderte Menschen in den Tod riss.

Oma Rosa sollte eine bestimmende Größe im Leben von Jorge Bergoglio werden. Sie überlieferte ihm die piemontesischen Bräuche und war eng verbunden mit seiner Berufung zum Priesteramt. So wie überhaupt die ganze Familie sehr katholisch war. Die Eltern hatten sich über die Kirche kennengelernt. Vielleicht ist der Papstname Franziskus auch ein heimliches Gedenken an seinen Vater, den Eisenbahnarbeiter José Mario Francisco Bergoglio.

Das Kochen lernte Bergoglio schon früh aus der Not heraus: Seit der Geburt des fünften Kindes war seine Mutter gelähmt und wies die drei Brüder und zwei Schwestern, von denen Jorge der Älteste war, in der Hausarbeit an. Vielleicht liegt hier neben seiner Genügsamkeit auch seine Disziplin begründet. Bergoglio steht früh auf, nützt die Zeit von vier bis sieben zur Meditation, bevor er sich seinen Aufgaben widmet. Auch als Papst will er, so wie bisher, auf seine Beine und öffentliche Verkehrsmittel zur Fortbewegung zurückgreifen. Sogar zu seiner Kreierung zum Kardinal durchquerte er Rom zu Fuß. In festlichem Rot gewandet sagte er seinem verschämten Begleiter: "Wir sind hier in Rom, da kannst du sogar mit einer Banane auf dem Kopf herumgehen, ohne dass jemand etwas sagt."

Wie jeder Argentinier ist auch Bergoglio Fußballfan. Sein Klub ist San Lorenzo, der den Namen zu Ehren des katholischen Priesters Lorenzo Massa trägt, der den Bewohnern des bonaerensischen Viertels Boedo gestattete, Fußballspiele im Hinterhof seiner Kirche zu veranstalten. Passenderweise werden die Fans auch "Die Heiligen von Boedo" genannt.

Bergoglio zählt Hölderlin, Borges und Dostojewski zu seinen Lieblingsautoren, hat ein Faible für italienische Neorealisten wie Fellini, Rossellini und Visconti und entspannt sich bei klassischer Musik, bevor er früh zu Bett geht.