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Eine Häretikerin des freien Marktes als Chefin der US-Notenbank?

Von Alexander U. Mathé

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Die amtierende Vizepräsidentin des Federal Reserve System, Janet Yellen, könnte nächstes Jahr auf den Chefposten aufrücken.


Bis der Chefsessel der US-Notenbank neu besetzt wird dauert es zwar noch fast ein Jahr, doch schon jetzt steht für Insider fest, wer dort Ende Jänner 2014 Platz nehmen wird. Egal, ob Journalisten des Wirtschaftsmagazins "The Economist" oder des Online-Magazins "Slate", ob Umfragen unter maßgeblichen Fondsmanagern: Alle weisen klar darauf hin, dass Janet Yellen die nächste Präsidentin des Federal Reserve System - kurz Fed - wird.

Die 66-Jährige scheint zu US-Präsident Barack Obama und seine Wirtschaftspolitik wie der Deckel auf den Topf zu passen. Kenner beschreiben die amtierende Vizepräsidentin der Fed als jemanden, der von der orthodoxen Anhängerschaft des freien Marktes abweicht. In der Notenbank gilt sie als Taube, also als jemand, dem niedrige Arbeitslosenzahlen wichtiger sind als eine niedrige Inflation (bei Falken ist es umgekehrt). Auch steht sie der Wirtschaftsschule des Keynesianismus nahe, die unter anderem bei Bedarf die Wirtschaft durch vermehrte Staatsausgaben zu beleben sucht - eine Strategie, die Obama verfolgt. Yellen hat enge Verbindungen zur demokratischen Partei und 1997 bis 1999 unter dem demokratischen Ex-Präsidenten Bill Clinton als Chefin des Stabs der Wirtschaftsberater des Weißen Hauses gedient.

Es ist wohl nicht übertrieben zu sagen, dass die Wirtschaft Yellens Leben ist. Es gibt kaum eine Eliteuni in den USA, an der sie nicht tätig war. In Yale machte sie ihren Doktor, war Forschungsstipendiatin am MIT, unterrichtete in Berkeley und in Harvard und auch an der London School of Economics.

Verheiratet ist Yellen mit dem Träger des Nobelpreises für Wirtschaft, George Akerlof, mit dem sie ein Kind hat. Gemeinsam mit ihrem Mann hat Yellen das Werk "Effizienzlohnmodelle des Arbeitsmarkts" geschrieben. Darin zeigten die beiden, dass im Gegensatz zum Modell des freien Marktes, niedrige Löhne zu mehr Arbeitslosigkeit führen können.

1994 trat Yellen in den Vorstand des Gouverneurrats der Fed ein. Von 2004 bis 2010 hat sie in San Francisco die westlichste der 12 regionalen Federal Reserve Banks geleitet. Bereits 2009 war sie im Rennen um den Chefposten der Fed, der damals jedoch an Ben Bernanke ging. 2012 wurde sie vom "Bloomberg Markets Magazine" in die Liste der 50 einflussreichsten Wirtschafter aufgenommen.

Sieht aus, als wären die Republikaner im Senat (der den Chefposten der Fed bestätigen muss) die Einzigen, die noch verhindern könnten, dass mit Yellen zum ersten Mal in der US-Zentralbank eine Frau das Kommando hat. Denn ihnen wird die Relativierung des absoluten Gehorsams gegenüber den Gesetzen des freien Marktes nicht genehm sein.