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Was ist nur mit der Tour de France los?

Von Christian Mayr

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Ist es die Absenz der (nicht mehr sehr zahlreichen) österreichischen Spitzenfahrer? Ist es der Mangel an strahlenden Persönlichkeiten, an packenden Duellen Rad an Rad? Oder ist es die demonstrative Mattscheibe in vielen Fernsehsendern, die allerspätestens seit dem Doping-Skandal um Siebenfach-Sieger Lance Armstrong die große Schleife links liegen lassen? (Vor Jahren konnte es sich sogar der ORF leisten, live zu übertragen.) Faktum ist, dass ausgerechnet die 100. Tour de France nicht richtig in die Gänge zu kommen scheint. Nach dem Einzelzeitfahren hat der Brite Christopher Froome seine Führung so weit ausgebaut, dass scheinbar nur noch ein Total-Umfaller in den Alpen oder auf dem berüchtigten Mont Ventoux seine Siegesfeier auf den Champs-Élysées verhindern kann. Ein Herausforderer ist nicht in Sicht. So weit, so fad.

Daher sorgen abseits der Rennstrecke ganz andere, unappetitliche Dinge für Schlagzeilen: etwa, dass Sprintstar Mark Cavendish, der tags zuvor einen Konkurrenten im Zielsprint nonchalant zu Sturz gerempelt hatte, von einem Zuschauer beim Zeitfahren mit Urin bespritzt worden sein soll. Während es das angebliche Opfer mit Humor nahm ("Ich habe heute keine Lust mehr auf Apfelsaft", twitterte der Brite), bliesen Zeitungen den Fall zum großen Skandal und Eklat auf. Dabei kommt es auf der Tour immer wieder zu solchen und ähnlichen Zwischenfällen mit Zusehern.

Viel wichtiger wäre es doch, dem Tour-Sieger in spe mehr Aufmerksamkeit zu widmen - so wie es der französischen Sportwissenschafter Antoine Vayer dieser Tage getan hat. Er verglich nämlich die Leistung Froomes bei seinem Sieg im Schlussanstieg nach Ax-3-Domaines mit jener von Armstrong und Jan Ullrich auf gleicher Strecke anno 2003. Fazit: Froome bewältigte den Anstieg mit 446 Watt nur um zwei Watt weniger als einst Armstrong und Ullrich, wiewohl beide "geladen gewesen sind wie Maultiere". Daher sei Froomes Leistung laut Vayer die "eines Mutanten". Natürlich beteuert auch der Brite, sauber zu sein und dass seine Resultate bestand haben würden - aber das wird erst die Geschichte entscheiden.