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Neuer Wind: Iran lässt Menschenrechts- anwältin frei

Von Alexander U. Mathé

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Trotz Protesten von UNO und EU saß Nasrin Sotudeh seit 2010 im berüchtigten Evin-Gefängnis für politische Gefangene in Haft.


Die Freiheit kam für Nasrin Sotudeh völlig überraschend. Als die 50-Jährige am Donnerstag an das Tor des Teheraner Evin-Gefängnisses trat, wartete sie darauf, die Papiere zu unterschreiben, die ihr einen dreitägigen Hafturlaub erlauben sollten. Doch stattdessen sagte ihr der Gefängniswärter: "Du bist frei." Ob sie begnadigt wurde oder lediglich auf Bewährung die Haftanstalt verlassen durfte, weiß sie nicht. Es gibt Momente, da fragt man lieber nicht nach, sondern geht einfach so schnell wie möglich. Das Evin-Gefängnis ist berüchtigt für übelste Folter sowie Massenhinrichtungen. Allein schon dafür, dass sie das Gebäude von außen fotografiert hatte, wurde die iranisch-kanadische Fotojournalistin Zahra Kazemi 2003 zu Tode gefoltert. Vor und nach der von Wahlfälschungsvorwürfen überschatteten iranischen Präsidentschaftswahl 2009 las sich die Liste der Insassen wie das "Who is Who" der iranischen Intelligenzija. Passend, ist Sotudeh eine der prominentesten iranischen Menschenrechtsaktivistinnen. Ihr Engagement begann, nachdem sie 1995 ihr Jusstudium abgeschlossen hatte. Da sie acht Jahre auf ihre Anwaltszulassung warten musste, arbeitete sie zunächst als Journalistin für reformorientierte Zeitungen und schrieb über Frauenrechte. Als Juristin trat sie für misshandelte Kinder und Mütter sowie die Gleichberechtigung von Frauen ein und kämpfte gegen die Todesstrafe. Als Anwältin vertrat sie minderjährige Straftäter in Todeszellen und festgenommene Oppositionelle, die 2009 gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmoud Ahmadinejad protestiert hatten. Unter ihnen fand sich auch Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Als diese 2009 ins Exil nach Großbritannien ging, blieb Sotudeh im Iran. Im September 2010 wurde die Mutter von zwei Kindern verhaftet. Sotudeh wurde schuldig befunden, die nationale Sicherheit angegriffen und Propaganda gegen die Staatsführung gemacht zu haben. Die Strafe lautete auf elf Jahre Haft in Verbindung mit einem 20-jährigen Berufs- sowie Ausreiseverbot. UN-Menschenrechtskommissarin Navanetham Pillay forderte die Freilassung, das EU-Parlament beschloss, die Sanktionen gegen den Iran zu verschärfen. Sotudehs Haftstrafe wurde auf sechs Jahre reduziert. Im Gefängnis trat die Menschenrechtlerin trotz schlechter Gesundheit mehrfach in den Hungerstreik, nicht zuletzt um zu erwirken, dass ihrer Tochter erlaubt werde, das Land zu verlassen. In Abwesenheit wurde sie 2012 mit dem Sacharow-Preis für Meinungsfreiheit ausgezeichnet. Vielleicht kann sie ihre Arbeit jetzt wieder unter weniger widrigen Umständen aufnehmen. Denn ihre Freilassung wird als Symbol der Hoffnung dafür gesehen, dass unter dem neuen Präsidenten Hassan Rohani der Iran zu einem gemäßigten Kurs findet.