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Der Retter von Timbuktus Schriften

Von Alexander U. Mathé

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Als Islamisten in Mali marodierten, brachte Abdel Kader Haidara historische Schriften in Sicherheit.


"Du bist jetzt der Wächter einer großen intellektuellen Tradition." An diese Worte kann sich Abdel Kader Haidara aus Mali bis heute erinnern. 1981, als er 17 Jahre alt war, starb sein Vater im Alter von 84 Jahren. Der hatte gemäß dem Brauch der Familie sein Leben der Sammlung wertvoller Manuskripte gewidmet. Aus ganz Afrika trug er alte Schriften zusammen. Damit vergrößerte er nicht nur seine eigene Kollektion, sondern beschaffte auch Werke, die dann die Sammlung des Ahmed Baba Instituts schmückten, für das er arbeitete. Nun hing es an Haidara, diese Tradition fortzuführen. "Es ist dein Schicksal", sagte ihm der Direktor des Instituts, "du trägst nun eine große Verantwortung." Dieses Verantwortungsgefühl meldet sich bei ihm 2012. Bis dahin hatte der Sammler die handgeschriebenen Texte hauptsächlich gegen gefräßige Insekten und den Zahn der Zeit verteidigen müssen. Doch dann kam eine noch größere Gefahr: islamistische Rebellen. Die Al-Kaida im Islamischen Maghreb, Anhängerin einer strengen Scharia, zog wie eine marodierende Hunnenhorde durch Mali und zerstörte alles, was für sie dem reinen islamischen Glauben widersprach. Darunter etwa mehrere weltbekannte Mausoleen, die die Unesco ebenso zum Weltkulturerbe erklärt hatte wie die malischen Manuskripte. Dutzende Bibliothek beherbergten diese literarischen Juwele, zu denen auch jene von Haidara gehören, der inzwischen eine eigene, 45.000 Werke umfassende, Bibliothek geschaffen hatte. Sie betreffen alle möglichen Bereiche von Astronomie, Poesie und Geschichte über Medizin bis hin zur Rechtskunde. Die ältesten stammen aus dem 11. Jahrhundert. Um sie vor der Zerstörung zu retten, setzte er sein Leben aufs Spiel. Nacht um Nacht und Woche um Woche schleuste er sie in die tausend Kilometer entfernte Hauptstadt Bamako, die außer Reichweite der Al-Kaida lag. Dabei ging es nicht nur um die Texte des Ahmed Baba Instituts. Haidara trug Schriften aus Bibliotheken in der ganzen Region zusammen, packte sie in Metallkisten, die er in Bussen und auf Schiffen versteckte. Neun Monate lang führte er diese lebensgefährlichen Aktionen durch. Denn hätte ihn die Al-Kaida dabei ertappt, wäre er im besten Fall eine Hand losgewesen. Heute wird der 50-Jährige für seinen Mut als Held gefeiert, die deutsche Afrika Stiftung zeichnete ihn vor kurzem in Berlin mit ihrem Afrika-Preis aus. Insgesamt gelang es, fast eine halbe Million Schriften in Sicherheit zu bringen. Die sind nun in Bamako, wo sie mit internationaler Hilfe konserviert und restauriert werden. Haidara bleibt bescheiden: "Ich habe bloß meine Rolle gespielt. Wir wissen, wie wichtig dieses Kulturerbe ist, und wie zerbrechlich. Ist ein Manuskript erst einmal zerstört, ist es weg", sagte er gegenüber der Deutschen Welle.