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Vom Zwang zur Überhöhung

Von Walter Hämmerle

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Ist Schwarz-Grün eigentlich ein politisches Projekt? Im Bund vielleicht, in den Ländern sicher nicht.


Man würde es ja angesichts der Alltagspraxis nicht vermuten, aber tatsächlich schlummert in jedem Politiker der Drang, sein eigenes Tun ins Grundsätzliche zu überhöhen. Ein menschlich verständlicher Impuls, dem sich auch Journalisten kaum verweigern können. Deshalb suchen wir noch im Kleinsten nach den letzten Spuren des größeren Ganzen, dem sich verpflichtet zu fühlen jede Partei behauptet.

Diese Lust am Überhöhen führt dazu, dass die Entscheidung, wer mit wem regiert, nicht länger als Ausdruck simpler Mehrheitsverhältnisse gesehen wurde, sondern als "Projekt" zur Veränderung/Verbesserung der Gesellschaft in diese oder eben die andere Richtung. Sogar große Koalitionen, in normalen Zeiten die fantasie- und freudloseste aller möglichen Kombinationen, verkleideten sich als Problemlöser angesichts großer Herausforderungen. Wenigstens argumentierten sie nicht weltanschaulich, sondern rein mehrheitstechnisch.

Programmatische Versprechen sind dagegen die wichtigste Spielwiese kleiner Koalitionen. Im deutschen Sprachraum war es vor allem Rot-Grün, dem der progressive Nimbus gesellschaftlicher Modernisierung angeheftet wurde. Die sozialliberale Variante, also ein Bündnis von Sozialdemokratie und Liberalen, ist heute - nach der fortschreitenden Selbstauflösung der FDP - dagegen nur noch in Deutschland eine ferne historische Erinnerung; in Österreich nicht einmal das, weil es dazu ja einer liberalen Partei bedurft hätte. Die besondere Natur der FPÖ hat auch dazu geführt, dass Schwarz-Blau allenfalls als Vehikel zum politischen Machtgewinn kleingeredet wurde. Eine eigene Aura erreichte diese Kombination bis heute nur bei ihren leidenschaftlichsten Gegnern.

Bleibt also noch Schwarz-Grün.

Einst, in den späten 80er Jahren des 20. Jahrhunderts, begannen sich aufgeklärte bürgerliche Kreise für die Möglichkeit eines Bündnisses von Christdemokraten und Umweltschützern zu begeistern. Damals noch vor allem auf dem Papier und in engen intellektuellen Zirkeln, schließlich versprühte in diesen Jahren die rot-grüne Variante deutlich mehr Sexappeal. Vor allem den Grünen war das schwarze Ansinnen die längste Zeit ganz und gar nicht geheuer. Und auf Bundesebene dürfte dieses mulmige Gefühl bei etlichen Funktionären der Ökopartei bis heute anhalten.

Der Unterschied zur Landesebene könnte dabei nicht größer sein (mit der einzig wirklichen Ausnahme von Wien). Nur für was Schwarz-Grün inhaltlich genau steht, ist schwer festzunageln.

Ein schonenderer Umgang mit der Umwelt ist längst Mainstream in einem Land, das zu beträchtlichen Teilen von der Schönheit seiner Landschaft lebt. Investitionen in Nahverkehr und Bildung ergeben sich schlicht aus einer Mängelanalyse des Status quo. Und die Vorarlberger Fixierung auf "keine neuen Schulden" ist keine parteipolitische Frage im herkömmlichen Sinn, sondern Ausdruck einer sozio-ökonomischen Grunddisposition der Alemannen, der sich vor Ort nicht einmal SPÖ und FPÖ entziehen können.

Es scheint also fast so, als ob der Traum politischer Projekte der Bundesebene vorbehalten bleibt. In den Ländern passt zusammen, was immer sich arithmetisch ausgeht.