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Warum die Gegner des Automatenverbotes falsch liegen

Von Clemens Neuhold

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Wenn im Dschungel soziale Probleme wachsen, schauen Verfechter des freien Marktes gerne weg. Wird der Wildwuchs gerodet, schreien sie auf.


"Blauäugig", "Glücksspiel wandert ins Hinterzimmer", "Verbotsgesellschaft", tönt es von den selbst ernannten Verfechtern des "freien" Marktes. "Eigenverantwortung statt Bevormundung." Jeder ist seines Glückes Schmied am einarmigen Banditen. Für den Rest gibt’s Spieler-, Jugendschutz.

Sie liegen falsch. Der Jugendschutz war in den hunderten Automatenkabinen, die sich in den Wiener Migrantenbezirken ins Stadtbild fraßen, nämlich nicht ausreichend gegeben. Aus Erzählungen von Spielern, Blindtests, Suchterhebungen weiß man: Das Schild "Ab 18" auf der Glastür genügte nicht. Wenn Novomatic nach Jahren Fingerprintsysteme zum Jugendschutz einführte, in der Hoffnung, die Politik noch umzustimmen, kann das auch als Eingeständnis gewertet werden.

Die Verbotsgegner liegen falsch, weil natürlich weiter gezockt werden kann - in bald drei großen Casinos mit bis zu 1000 Spielautomaten und horrend hohen Einsatzlimits. Die ominösen Hinterzimmer für zwei Meter hohe Automaten sollten hingegen leichte Beute für die Finanzpolizei sein - sofern sie kontrolliert.

Die Verbotsgegner liegen falsch, weil Sucht und Eigenverantwortung ein Widerspruch sind, das Suchtpotenzial von Automaten unter allen Glücksspielangeboten aber am höchsten ist. Das führt zu individuellen und auch gesellschaftlichen Dramen. Es hat einen Grund, warum die Automaten nicht am Graben, sondern in Ottakring, Simmering, Margareten, Favoriten stehen. Dort ist die Zahl der Menschen, die wenig haben und genau deswegen aufs "automatische" Glück durch Dauerzocken hoffen, höher als in Speck-Bezirken. Über Jahre fand eine Umverteilung von unten nach oben statt, die ihresgleichen sucht - aus den Börseln der Hackler, Migranten, Arbeitslosen (und damit der Steuerzahler) zu Automatenbetreibern. Die förderten die hohe Kunst, Kultur, das Stadtfest, die Medien der Speckbezirkler. All das störte Verbotsgegner nicht, sie schauten gar nicht erst hin. Nun, bei der Begradigung der Schieflage: Aufschrei.

Am Finanzmarkt war es ähnlich: finanzielle Massenvernichtungswaffen, Spekulations-Exzesse, Milliarden-Boni - kein Aufschrei. Regulierung: Aufschrei.

Das Automatenverbot ist ein selten gewordenes, basisdemokratisches Korrektiv gegen eine Sorte Wildwuchs, die uns oft schon ganz normal erscheint.