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Nicht in religiösen Debatten verfangen

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Extremisten geben jungen Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit, ein Betätigungsfeld für Abenteuer und eine Art erhöhten Status.


Nach dem tödlichen Angriff auf das Magazin "Charlie Hebdo" in Paris hat Frankreich dem Terrorismus den Krieg erklärt. Tut mir leid, aber das ist die falsche Antwort auf die Tragödie, denn so wiederholt man die Fehler der USA nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Was wäre eine überzeugende Terrorabwehrbotschaft? Zum Beispiel die von Malek Merabet, eines Franzosen algerischer Abstammung, der nach dem Begräbnis seines Bruders Ahmed, der als Polizist bei den Anschlägen in Paris getötet wurde, sagte: "Mein Bruder war Muslim und er wurde von Leuten getötet, die vorgeben, Muslime zu sein. Sie sind Terroristen. So ist das."

"Die Rolle der Religion bei all dem wird gefährlich übertrieben", sagt ein früherer Mitarbeiter des US-Außenministeriums, der jetzt Initiativen gegen Extremismus organisiert: "Wenn wir uns in einer religiösen Debatte verfangen, werden wir nie Erfolg haben: Wir übersehen das Wesentliche, nämlich dass Extremisten jungen Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit geben, ein Betätigungsfeld für Abenteuer und eine Art erhöhten Status. Um dies zu bekämpfen, müssen wir sie mehr als junge Menschen ansprechen, weniger als Muslime."

Was haben die USA aus mehr als einem Jahrzehnt schwächender Kämpfe gegen die Al-Kaida gelernt? Diese Frage habe ich Terrorabwehrexperten der US-Regierung gestellt. Erstens: Die USA sind keine glaubwürdige Stimme, Muslimen zu sagen, worum es beim Islam wirklich geht. Das Zurückdrängen des gewalttätigen Extremismus muss von den religiösen Zentren in Ägypten, Saudi-Arabien und anderen Staaten der muslimischen Welt ausgehen. Ein gutes Beispiel ist der Aufruf des ägyptischen Präsidenten Abdel Fatah al-Sissi zu einer "religiösen Revolution" gegen gewalttätigen Extremismus. US-Technologie kann bei der Verbreitung solcher Botschaften helfen. Urheber können die USA nicht sein.

Zweitens: Die besten Programme, gewalttätigen Extremismus zu bekämpfen, sind laut US-Regierungsbeamten Bottom-up-Bemühungen, bei denen lokale Behörden mit Muslimen und Gemeindeorganisationen zusammenarbeiten. Als voriges Jahr drei minderjährige Mädchen aus Denver online radikalisiert wurden und nach Syrien in den Kampf ziehen wollten, stoppte die muslimische Gemeinde sie. Bei einem späteren Gemeindetreffen zeigte ein Mitarbeiter des Terrorabwehrzentrums Bilder von einem Messer, von einer Pistole und von einem Handy und warnte, dass das Handy potenziell am gefährlichsten sei.

Und drittens muss sich wirkungsvolle Kommunikation gegen Terrorismus sozialer Medien bedienen. Ein Beispiel ist das Netzwerk "Against Violent Extremism". Es besteht mittlerweile aus 300 früheren Dschihadisten, Gangmitgliedern und radikalen Nationalisten, die online potenziellen Extremisten Rat geben.

"Abdullah-X" ist ein britisches Projekt von einem früheren Dschihadisten: Jugendliche, die nach Syrien in den Dschihad ziehen wollen, wird dort unter anderem entgegnet: "Du musst andere töten, um deine Welt makelloser zu machen - darum, glaubst du, geht es beim Islam? Ist das dein Ernst?"

Übersetzung: Redaktion