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Aufregende Zeiten

Von Edwin Baumgartner

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Wir leben ja wirklich in aufregenden Zeiten. Also, das Knallen von Kalaschnikows in Paris oder das einer Peitsche in Saudi-Arabien, das kann man ja wegstecken. Oder die paar Toten, die in Nigeria auf das Konto von Boko Haram gehen. Oder einen islamfeindlichen Mob, der sich nach einem jüdisch-christlichen Abendland sehnt, als ob es nie etwas wie die Aufklärung gegeben hätte, und der demnächst auch auf Wiens Straßen marschieren wird. (Ich bin schon gespannt, welche Lichter bei uns abgeschaltet werden.)

Aber dass sich ein Wiener Kaffeehaus zur knutschfreien Zone erklärt, das ist es, was die Gemüter überkochen lässt. Oder die Aufhebung des Adoptionsverbots für Homosexuelle - weil’s halt dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht. Ja, da regt sich Wutbürgers wilder Sinn, und man muss ja nachgerade froh sein, dass er die erste Partnerbörse für Transsexuelle noch nicht entdeckt hat. Ach ja, und dann wäre da noch die Koranverteilung - als ob jeder, der das Buch liest, sich mit Islam infiziert und einen Flug in den IS bucht. Über Jehovas Zeugen mit ihren Trolleys am gleichen Ort regt sich keiner auf. Die sind ja harmlos. Zumindest, solange man nicht dabei ist und seinem Kind die lebensrettende Bluttransfusion verweigern muss.

Aber das alles ist nichts gegen den jährlichen Aufreger des Jahres: Wen nimmt der Lugner mit zum Opernball? (Wenn er Stil hätte und Witz, würde er Conchita Wurst einladen - die freilich Stil genug hätte, das Angebot auszuschlagen.)

Wir leben in aufregenden Zeiten. Und lenken uns mit Aufregern von allem ab, was uns aufregen könnte.