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Der ganz unschrille Houellebecq

Von Edwin Baumgartner

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",Kein‘ ist kein Wort für eine Schlagzeile", knurrte mein damaliger Chef, als ich in meiner Anfängerzeit eine Kritik über einen mittlerweile hinlänglich bekannten Dirigenten betiteln wollte "Kein Parfum für Debussy". Solche Erfahrungen hat der Kollege von der Presseagentur offenbar nicht gemacht, denn er schreibt in die Titelzeile: "Keine schrillen Töne: Houellebecq stellte ,Unterwerfung‘ in Köln vor".

Das "Kein" im Titel stört mich dabei weniger als die damit verbundene Aussage: Warum, um alles in der Welt, hätte es bei der Vorstellung des neuen Romans des französischen Starautors Michel Houellebecq "schrille Töne" geben sollen? Und vor allem: Von welcher Seite hätten sie kommen sollen?

Gewiss: "Unterwerfung" ist islamkritisch. Aber erwartet man von Houellebecq, der schon als Frauenhasser, Rassist, Reaktionär und Religionsfeind ganz allgemein bezeichnet wurde, dass er vor versammeltem Publikum eine Brandrede gegen den Islam hält? Dazu ist Houellebecq zu klug - nicht aus taktischen Gründen, sondern weil er, bei aller Provokation, zu differenzieren vermag, und auch sein Roman nicht mit dem Dampfhammer daherkommt, sondern eher mit dem - freilich kundig geführten - Florett.

Dann hätten "schrillen Töne" vonseiten der Muslime kommen sollen? Weil man ihnen derzeit ohnedies unterstellt, dass Kalaschnikow und Bombengürtel zu ihrer Alltagskleidung gehören? Auch ein schiefer Gedankengang, irgendwie, scheint mir.

Mein damaliger Chef hatte rein stilistische Bedenken gegen einen "Kein"-Titel. Heute hätte er damit auch rein inhaltlich recht gehabt.