Zum Hauptinhalt springen

Die Sache mit dem Heimvorteil

Von Christian Mayr

Kommentare

Entgegen der Trends in anderen Sportarten versagte das US-Ski-Team bisher bei Großereignissen in der Heimat.


Amerikaner sind da, wenn es um "etwas" geht; US-Sportler versagen nie, wenn es drauf ankommt; je höher die Erwartungshaltung, desto größer das erbrachte Leistungspotenzial: Wenn bei Siegerehrungen die Stars and Stripes aufgezogen werden, der Star-Spangled Banner ertönt und das Gold um den Hals eines US-Athleten baumelt, dann werden solche und ähnliche Weisheiten gerne erzählt. Nach dem Motto: Wir schaffen es leider nicht, am Tag X die an sich vorhandene Form abzurufen und/oder angesichts des Druckes in der Heimat die Nerven zu bewahren - da schau her, die wilden US-Boys und -Girls sind immer locker, aber zugleich voll fokussiert und haben daher nicht nur die absolute Winner-Mentalität, sondern naturgemäß auch mit dem Gewinner-Gen die optimalen Voraussetzungen. Derlei Plattitüden mögen auf viele Sportarten zutreffen, insbesondere die olympischen, wo sich die Amerikaner vor eigenem Publikum zu Höchstleistungen aufstacheln können, beim Skifahren trifft es aber nicht zu. Bei weitem nicht. Ganz im Gegenteil: Ein Blick auf die Bilanzen vergangener Titelkämpfe in den USA offenbart eine eklatante Schwäche. Beispiel Vail 1999: Im rot-weiß-roten Goldrausch ist medial völlig untergegangen, dass das US-Ski-Team die Heim-Bühne nicht nur nicht ausgenutzt, sondern durch die schlechten Leistungen vielleicht sogar den Rennsport-Boom um Jahre zurückgeworfen hat. Überspitzt formuliert. Denn im Land, wo schon der Silbermedaillengewinner der erste große Verlierer ist, gab es null Mal Gold. Auch Silber blieb den Amis versagt, genauso wie Bronze. Keine Medaille bei Heimspielen also, welch Debakel! Gut, Olympiasiegerin Picabo Street war gerade verletzt und Bode Miller noch zu jung, dennoch schaffte es niemand aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, mit der legendären Ami-Unbekümmertheit aufs Stockerl zu rasen. Zehn Jahre zuvor, an selber Stelle, war von Heimvorteil aber ebenso nichts zu spüren: Obwohl das US-Team in den 1980ern durchaus Siegfahrer hatte, gelang einzig Tamara McKinney ein Erfolgserlebnis - Bronze im Slalom, Gold in der (damals schon wenig bedeutsamen) Kombination.

Jetzt wird manch einer vielleicht einwenden, Ski-Weltmeisterschaften würden in den USA nichts zählen (was heute so auch nicht mehr stimmt), bedeutsam ist doch nur Olympia. Also Blick zurück ins Jahr 2002 nach Salt Lake City: Von den 34Medaillen, die die USA bei ihren Heimspielen in der Mormonenstadt holten (zehn davon in Gold), steuerten die Alpinen gerade einmal zwei Silberne bei - Miller im Riesentorlauf und der Kombination. 1980 in Lake Placid war es noch schlimmer: Phil Mahre gewann mit Slalom-Silber das einzige Edelmetall. Wer jetzt entgegnet, dass aufgrund verwaister Ränge und medialem Desinteresse nie von einem US-Heimvorteil die Rede sein könne, dem sei das Beispiel Brasilien und die Fußball-WM 2014 vorgehalten - oder aber auch Österreich und die Ski-WM in Schladming. Weil vor zwei Jahren so manch Brettartist vor der enormen Kulisse im Ennstal versagte, wurden es (inklusive Teambewerb) nur acht Medaillen für den ÖSV. Gewonnen hat die Medaillenwertung damals übrigens die USA mit vier Mal Gold und ein Mal Bronze.

So gesehen kann es diesmal fast nur schlechter werden - nicht aber, was Spiele in der Heimat betrifft.