Zum Hauptinhalt springen

Achtung: Der Goldrausch kann die Sinne benebeln

Von Tamara Arthofer

Kommentare
Tamara Arthofer
Tamara Arthofer ist Sport-Ressortleiterin.

Tu felix Austria, wenn siegende Skifahrer die Volksseele zufriedenstellen. Eine nüchternere Betrachtung täte gut.


Sechsmal Gold an einem Tag, auch das gibt’s. Der Teambewerb macht’s möglich, dass sich am Dienstag Marcel Hirscher, Christoph Nösig, Michaela Kirchgasser, Eva-Maria Brem sowie Nicole Hosp und Philipp Schörghofer die Goldmedaille umhängen durften - letztere zwei, obwohl sich ihre Rolle aufs Anfeuern beschränkt hatte. Auch das gehört schließlich zu einem erfolgreichen Team. Und das ÖSV-Team, das ganze, nicht nur das am Dienstag bei dem Parallelbewerb im Einsatz befindliche, ist bei dieser WM ein so starkes, dass besonders patriotische Gemüter Gefahr laufen könnten, sich vom Goldrausch die Sinne benebeln zu lassen. Für manche mag es sogar eine Frechheit sein, dass sich der - bei aller Attraktivität und Spannung doch sportlich ein bisschen überbewertete - Er-und-Sie-Lauf nicht auch im seines Zeichens noch viel ärger überbewerteten Medaillenspiegel niederschlägt. Dann wäre nämlich der Rekord von Chamonix 1962 mit sechsmal Gold und insgesamt 15 Medaillen pulverisiert und auch Vail 1999, gemessen an der Anzahl der ersten Plätze, aber so was von Schnee von vorgestern. Fünf WM-Titel waren es dort, die Österreichs goldene Generation - freilich ohne den noch inexistenten Teambewerb - abstaubte, bei vier hält das Team jetzt. Sei’s drum. Geht man danach, wie der Boulevard schon nach den Siegesfahrten Anna Fenningers und Hannes Reichelts im Super G und noch mehr nach Marcel Hirschers Husarenstück in der Kombination hyperventilierte, ist es ohnehin nur eine Frage der Zeit, bis sämtliche Rekorde purzeln. Sowohl Fenninger als auch Hirscher mussten sich schon ernsthaft vorrechnen lassen, wie oft sie bitteschön noch zu gewinnen hätten. Bei solchen Vorhaltungen sollten dann Phrasen als Repliken à la "Der Skisport ist kein Wunschkonzert" und "Es muss alles passen" nicht verwundern.

Dass hohe Erwartungen allzu oft in tiefen Frust umschlagen können, zeigt indessen ein Blick auf Schladming 2013: Das dominierende Team damals waren die USA, die ihrerseits jetzt nicht allzu viel zu melden haben, mit Ted Ligety als Superstar, über Ski-Österreich braute sich dagegen so etwas wie eine Götterdämmerung zusammen, als die Speed-Bewerbe gänzlich medaillenlos verliefen. Die nach Schladming gepilgerte Fanmeute suchte hochprozentige Ablenkung, der Stammtisch tobte, Ex-Größe Hermann Maier richtete dem Verband aus, dass man sich einmal um Umfeld, Training und Funktionärswesen Gedanken machen sollte, was zu gravierenden Verstimmungen zwischen ihm und dem Team führte.

Jetzt ist freilich wieder alles gut: Die Skifahrer gewinnen, die rot-weiß-rote Volksseele ist zufriedengestellt. Tu felix Austria, solange das so einfach geht.

Doch man sollte sich nicht zu sehr in Sicherheit wiegen: Am damals Kritisierten hat sich wenig geändert, und mit Blick auf die (Herren-)Technikbewerbe kann es ganz leicht sein, dass dem Siegesrausch der Kater folgt. Denn dort ist längst nicht alles Gold - wenn Hirscher einmal nicht glänzt.