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In Mexiko ist Marihuana praktisch legal

Von Alexander U. Mathé

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Eine Friedensaktivistin ändert die Drogenpolitik des Landes.


Josefina Ricaño de Nava darf Marihuana rauchen. Sie darf es sogar anbauen und mit sich führen. Ganz offiziell, mit Brief und Siegel. Dabei kommt sie gar nicht aus Uruguay, oder einem der liberalen US-Bundesstaaten wie Colorado, oder sonst einer Region dieser Welt, in der das ohnedies erlaubt ist. Ricaño de Nava kommt aus Mexiko und dort ist die Droge grundsätzlich genauso verboten wie in Österreich. Doch dieses Gesetz schien ihr sinnlos zu sein, weshalb sie dagegen klagte - und recht bekam. Dabei vermittelt die Frau in ihren 60ern nicht unbedingt den Eindruck, dass sie nun sofort loslegen und einen Joint nach dem anderen rauchen wird. Eines ist jedenfalls gewiss: Ihr Hauptanliegen ist nicht der Konsum der Pflanze, sondern der Versuch, ein ihrer Meinung nach kaputtes System niederzureißen und durch ein funktionierendes zu ersetzen. Alles begann 1997. Es war das schwärzeste Jahr im Leben von Ricaño de Nava. Ihr Sohn wurde entführt und ermordet. Daraufhin organisierte sie gemeinsam mit anderen den ersten großen Schweigemarsch gegen die Gewalt und Unsicherheit in Mexiko, dem sich 120.000 Menschen anschlossen. Sie gründete die Organisation "México Unido contra la Delincuencia" ("Geeintes Mexiko gegen die Kriminalität", MUCD) und macht mit ihr unablässig gegen die in Mexiko grassierende blutige Gewalt mobil. Ein wichtiger Punkt dabei ist ihrer Meinung nach auch die vorherrschende Drogenpolitik zu ändern. "Wir müssen effektivere Wege finden, Vertrieb, Handel und Konsum von Drogen zu regulieren", sagt sie. Der Kampf gegen Drogen, zumal Marihuana, sei derzeit die Hauptbeschäftigung der Polizei und binde somit zu viele Ressourcen. Hilfreich wäre es da, Marihuana als Problem öffentlicher Gesundheit und nicht öffentlicher Sicherheit einzustufen. Mit einer Unterorganisation von MUCD klagten sie gemeinsam mit drei anderen gegen das Drogengesetz. Ziel war es nicht Marihuana zu säen und zu konsumieren, sondern eine Debatte darüber loszutreten, wie man sinnvollerweise mit der Droge umgehen sollte. Am Mittwoch entschied der Oberste Gerichtshof von Mexiko mit 4 zu 1 Stimmen, dass das Verbot von Marihuana verfassungswidrig sei. "Das totale Verbot ist übertrieben und schützt nicht das Recht auf Gesundheit", sagte Richterin Olga Sanchez Cordero. "Niemand hat gesagt, Marihuana sei harmlos", sagte Richter Arturo Zaldivar. "Wir haben nur festgehalten, dass das totale Verbot unverhältnismäßig ist angesichts der wissenschaftlich nachweisbaren Schäden." Auf den persönlichen Erfolg von Ricaño de Nava wird das Urteil des Höchstgerichts freilich nicht beschränkt sein. Denn als Präzedenzfall wird es die künftige Rechtsprechung bestimmen, die den Mexikanern Marihuana für den Eigengebrauch grundsätzlich erlauben wird. Zumindest so lange, bis die von Ricaño de Nava losgetretene Debatte abgeschlossen und eine neue Drogenpolitik implementiert ist.