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Von der Kindersoldatin zur Siegläuferin

Von Alexander U. Mathé

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Eine Nepalesin sorgt beim konditionsraubenden Wettbewerb Berglauf für Furore.


Als die maoistischen Soldaten eines Tages in das kleine nepalesische Dorf von Mira Rai kamen, trat sie als Einzige vor. Die 14-Jährige wollte als gutes Beispiel vorangehen und so die anderen Mädchen dazu animieren, sich den Rebellen im Kampf gegen die Monarchie anzuschließen. "Deren Botschaft von einer besseren Gesellschaft, besonders für Frauen, hat mich inspiriert", erinnert sich die heute 25-Jährige in der Zeitung "Guardian" an die Geschehnisse von damals. Eine große Rolle spielte auch das Versprechen von drei Mahlzeiten am Tag und eines Fitnesstrainings. Denn als Kind von landlosen Arbeitern, in einer Lehmhütte ohne Wasser und Elektrizität, waren ihre Möglichkeiten begrenzt. Noch dazu in einem Land, in dem Mädchen und Frauen Menschen zweiter Klasse waren. Schon im Alter von acht Jahren musste Mira das Wasser vom Fluss holen, was nicht nur das Schleppen der schweren Kübel, sondern auch einen langen Berglauf bedeutete. Mit zehn Jahren stieg sie auf Reistransport um und schleppte die 28 Kilo schweren Säcke für ein Paar Rupien zu Markte. In der Armee lernte die Kindersoldatin in ihrer zweijährigen Ausbildung Waffenkunde, Schießen und Karate. Auf Fitness wird im Militär ja ohnedies geachtet. Mira gefiel es besonders, zu laufen, auch wenn das nicht gern gesehen war. Das, war man der Ansicht, schwäche einen Kämpfer. Nachdem 2006 Frieden in Nepal geschlossen wurde, wechselten viele maoistische Kämpfer in die reguläre Armee. Mira blieb dieser Weg verwehrt, weil sie das UNO-Reglement als Kindersoldatin unter besonderen Schutz stellte. Mittellos ging sie nach Kathmandu, um dort ihr Glück zu versuchen. Erfolg hatte sie keinen und stand kurz davor, in ihr kleines Dorf zurückzukehren. Da erfuhr sie durch Zufall im März 2014, dass in den Bergen Nepals ein Berglauf veranstaltet wird. Mira, die sich ihr Hobby Laufen bewahrt hatte, nahm daran teil und gewann auf Anhieb. Seither läuft sie quer über den Globus von einem Sieg zum anderen. Darunter findet sich auch der 80 Kilometer lange Mont-Blanc-Lauf in Frankreich. Bei ihrem letzten Rennen, dem Pyrenäen-Berglauf, wurde sie zwar nur Zweite, gewann aber immerhin mehr als 1000 Euro. Das entspricht im bitterarmen Nepal fast dem doppelten Durchschnittsgehalt für ein Jahr. Das Geld verwendet sie dafür, ihre Familie von einem Leben in Armut und ohne Möglichkeiten zu erlösen. Ihre jüngeren Geschwister können in Ruhe die Schule besuchen und ihre Eltern müssen sich nicht mehr fragen, wo sie die nächste Mahlzeit auftreiben können. Ihr größter Wunsch ist es aber, ein Vorbild für andere Mädchen und Frauen zu sein. Diese mögen sich gegen ihre automatische Benachteiligung wehren und, so erklärt Mira: "Ich möchte, dass Frauen und Mädchen in entlegenen Dörfern wie dem meinen die Chance erhalten, etwas aus ihrem Leben zu machen."