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Zu viel für einen Pfarrer

Von Alexander U. Mathé

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In Bayern räumte ein Geistlicher nach Beschimpfungen und Morddrohungen das Feld.


Als im Münchner Vorort Zorneding vergangenen Sonntag die Messe gefeiert wurde, war Olivier Ndjimbi-Tshiende nicht mehr dabei. Seit 2012 war der 66-Jährige in der bayerischen Gemeinde Pfarrer, doch dann hielt er es nicht mehr aus und ging. Die Anfeindungen hatten ein Maß erreicht, das für ihn nicht mehr erträglich war. 1986 war das Kind einer achtköpfigen Bauernfamilie von der Demokratischen Republik Kongo nach München gekommen. Der Seelsorger machte dort seinen Doktor und schloss eine Habilitation in Moralphilosophie an. Schon damals, als Student, war er immer wieder mit Rassismus konfrontiert. Einmal sei er in einem Restaurant auch nach einer Stunde des Wartens nicht bedient worden, erzählte er der "Süddeutschen Zeitung". Als er einer Straßenbahn nachlief, rief ihm jemand zu: "Geh’ zu Fuß, gibt es so was bei dir in Afrika?". Später, als Pfarrer, hielt die Xenophobie ihm gegenüber an.

In seiner damaligen Pfarre sagte ein Mitarbeiter: "Unter einem Neger arbeite ich nicht." Ein junges Ehepaar wiederum wollte sein Kind nicht von einem schwarzen Pfarrer taufen lassen. Das mag Pater Olivier gekränkt haben, doch es änderte nichts an seiner Einstellung, oder seiner Liebe zu Deutschland, dessen Staatsbürgerschaft er 2011 annahm, weil er sich dort trotz allem zu Hause fühlte. Dann kam die Flüchtlingskrise. Da traten die Spitzen des Bundeslandes und die Spitzen seiner Gemeinde gegen die Asylsuchenden auf.

Eine Einstellung, die Ndjimbi-Tshiende missbilligte und stattdessen Lobeshymnen auf Bundeskanzlerin Angela Merkel verfasste, die die Tore Deutschlands für die Migranten geöffnet hatte. Was folgte, waren Monate der Beschimpfungen und Einschüchterungsversuche. Fünf Morddrohungen gingen bei Pater Olivier ein. "Ab mit dir nach Auschwitz" lautete eine davon. Die Anfeindungen kamen nicht nur aus der Masse der feigen Anonymität. Sogar lokale Vertreter der bayerischen Regierungspartei CSU ergingen sich in Anfeindungen. So sagte der Zornedinger CSU-Parteivize: "Der (Pfarrer) muss aufpassen, dass ihm der Brem (Altpfarrer) nicht mit dem nackerten Arsch ins Gesicht springt, unserem Neger."

Schließlich wurde es dem Pfarrer zu viel. Als er seinen Abschied bekannt gab, schlug ihm noch eine Welle der Solidarität entgegen: 70.000 Unterstützer baten ihn zu bleiben - erfolglos. Beendet ist die Affäre damit aber noch nicht. Sie hat inzwischen die höchsten Instanzen mobilisiert. Der Erzbischof von München und Freising, Reinhard Kardinal Marx, entsandte zum Gottesdienst 1 nach Ndjimbi-Tshiende seinen engsten Vertrauten, Generalvikar Peter Beer. Und auch die Kriminalpolizei ermittelt natürlich in den Fällen von Morddrohung. Doch vorerst bleibt der bittere Beigeschmack, dass - bei allem Verständnis für die Reaktion des Pfarrers - manche nur garstig genug sein müssen, damit ihnen das Feld überlassen wird.