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Ein nahezu unlösbarer Konflikt

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Trotz Vermittlungsversuchen von Russland, Frankreich und den USA scheint in Berg-Karabach eine lange, harte Auseinandersetzung bevorzustehen.


Der fragile Waffenstillstand könnte binnen Tagen zerbrechen, hat der Militärkommandant von Nagorno-Karabach vor Kurzem angekündigt. Bei aserbaidschanischem Beschuss waren zuvor zwei armenische Soldaten getötet worden, unter Beschuldigungen beider Seiten, die jeweils andere hätte den Waffenstillstand gebrochen.

Ich war, auf Einladung der armenischen Regierung, mit einigen anderen Journalisten und einem Mitglied des Europäischen Parlaments auf Kurzbesuch in Stepanakert. Der 90-minütige Helikopterflug ging über eine außergewöhnliche Gebirgslandschaft. Es wirkte wie die Schweiz im Kaukasus - nicht nur die Berge, auch die ordentlichen Straßen, die Bauernhöfe, die leidenschaftlich unabhängigen Menschen.

Der eingefrorene Konflikt befindet sich seit 22 Jahren in der Sackgasse. Am 2. April ist er explodiert: Aserbaidschanische Streitkräfte haben entlang der 200-Kilometer-Grenze angegriffen und zum ersten Mal seit Kriegsende im Jahr 1994 Terrain erobert. Von Russland wurde vier Tage später ein Waffenstillstand ausgehandelt. Wie aber die jüngsten Kämpfe zeigen, ist ein neuerlicher großer Zusammenstoß gefährlich nahe.

Karabach gehört zu den weltweit unlösbarsten Konflikten. Die meist armenische Bevölkerung hat sich in einem zweijährigen Krieg von Aserbaidschan getrennt. Russland, Frankreich und die USA sind um Vermittlung bemüht - vergeblich. Aserbaidschan fordert Gebiete zurück, die früher innerhalb seiner Grenzen waren. Die Armenier bestehen darauf zu bleiben.

Russland steht in der Mitte. Moskau sagt, es wolle einen dauernden Frieden vermitteln, liefert aber Waffen an beiden Seiten. Die USA wollen ebenfalls die Ausweitung des Konflikts verhindern, haben aber wenig diplomatischen Einfluss.

Der armenische Verteidigungsminister Levon Mnatsakanyan sagt, seine Streitkräfte hätten den Angriff am 2. April nicht erwartet, aber er betont, dass sie die Enklave auch ohne russische Hilfe verteidigen können.

In Gesprächen mit armenischen Einwohnern von Karabach hatte ich das Gefühl, dass die Kampfbereitschaft wächst - wie in Aserbaidschan. Der frühere Friedensaktivist Garen Ohanjanyan sagt, er glaube nach dem jüngsten Krieg nicht mehr an Frieden. Er wolle, dass die armenischen Streitkräfte aserbaidschanische Wirtschaftsziele zerstören: "Wir machen uns keine Illusionen mehr".

Anahit Danielyan, die den Presseklub in Stepanakert leitet, erzählt, dass sie bisher immer versucht habe, mit aserbaidschanischen Journalisten online in Kontakt zu bleiben: "Ich beginne den Hass meiner Kollegen in Aserbaidschan zu spüren. Dieser neue Krieg hat irgendwie unsere Wahrnehmung voneinander verändert."

Auf dem Weg zum Flughafen bekommen Besucher das Nationaldenkmal zu sehen, ein riesiges Steinmonument eines alten Mannes und einer alten Frau - nur die Köpfe, die Körper scheinen im Abhang eingegraben zu sein. "Wir sind unsere Berge", lautet die offizielle Bezeichnung. Implizit bedeutet das wohl: Wir rühren uns nicht von der Stelle. Es scheint eine lange, harte Auseinandersetzung bevorzustehen.

Übersetzung: Hilde Weiss