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US-Diplomaten werden für ihre Arbeit bestraft

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

In den USA kann es Diplomaten schnell passieren, dass sie plötzlich als Bedrohung für die nationale Sicherheit angesehen werden.


Am 21. Oktober 2014 erhielt Robin Raphel, damals Diplomatin des US-Außenministeriums, einen Anruf von ihrer Tochter, dass zu Hause die Alarmanlage losgegangen sei. Als Raphel ankam, sah sie, wie FBI-Agenten ihre Unterlagen durchsuchten. Sie rief in ihrem Büro im Außenministerium an, um zu erfahren, was hier vor sich ging. Ihre Kollegen sagten ihr, sie seien angewiesen, nicht mit ihr zu sprechen. Ihr Schreibtisch werde gerade durchsucht. Raphels Stimme klingt noch immer erschüttert, wenn sie sich an diesen Nachmittag erinnert.

Raphel, eine führende Expertin für Südasien, wurde vorgeworfen, für Pakistan zu spionieren. Die Vorwürfe erwiesen sich schließlich als haltlos: Das Justizministerium teilte Raphels Anwälten mit, dass sie nicht strafrechtlich verfolgt werde. Aber dieser Fall wirft einige beunruhigende Fragen auf. Wie konnte eine Diplomatin mit fast vierzigjähriger Erfahrung zum Mittelpunkt einer karrierevernichtenden Untersuchung werden?

Er glaube nicht, dass das FBI jemals diese Untersuchung durchgeführt hätte, sagte Jeff Smith, früherer CIA-Rechtsberater und jetzt Raphels Anwalt, wenn es mit ranghohen Mitarbeitern des Außenministeriums gesprochen hätte, die über Raphels Arbeit Bescheid wussten.

Die Bedrohung, die von staatlicher Überwachung und Untersuchungen aus Gründen der nationalen Sicherheit für Bürger ausgeht, wird seit einem Jahrzehnt heiß diskutiert. Weniger beachtet wird der Schaden, der betroffenen Regierungsbeamten entsteht, wenn sie ins Schleppnetz geraten. Raphels Erfahrung ist eine Fallstudie, was passieren kann, wenn die Regierung eine Untersuchung ohne angemessene Sorgfalt durchführt.

"Die Untersuchung des FBI war von Anfang an mangelhaft. Es gab ein grundlegendes Missverständnis, was die Arbeit von Diplomaten betrifft", sagte mir Raphel: "Man hat mir nie gesagt, was diese Untersuchung ausgelöst hat, aber ich bin überzeugt, es war eine falsche Deutung von nicht ausgewertetem Geheimdienstmaterial durch Personen, die die Zusammenhänge einfach nicht verstanden." Auch Dan Feldman, Raphels letzter Chef bei SRAP (Special Representative for Afghanistan and Pakistan) sagt, der Fall zeige, dass andere Behörden Diplomatie nicht richtig verstehen. Auf andere Diplomaten, die fürchten, sie könnten als nächstes an die Reihe kommen, wirkt der Fall entmutigend, vertrauten mir mehrere Mitarbeiter des Außenministeriums an.

Aber Raphels Kollegen sind hinter ihr gestanden, auch während der laufenden Untersuchung. Beth Jones, eine Diplomatenkollegin, organisierte einen Fonds für den Rechtsbeistand. 90.000 Dollar sind zusammengekommen, von 96 Kollegen und Freunden.

Beim Thema der nationalen Sicherheit erhalten Diplomaten wenig Aufmerksamkeit. Die Menschen jubeln Soldaten und Seeleuten zu und schauen sich Filme über Spezialeinheiten an. Der Lohn eines Diplomaten für Jahre voller Gefahren scheint jedoch manchmal eine FBI- oder Kongressuntersuchung zu sein. Das ist falsch. Raphel und viele hunderte Kollegen verdienen etwas Besseres.

Übersetzung: Hilde Weiss