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Keine EM wie jede andere

Von Christian Mayr

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Die Terrorangst hängt wie ein Damoklesschwert über der Euro 2016 - auch der neue Modus mit 24 Teilnehmern steht auf dem Prüfstand.


Jetzt geht’s also los, jetzt ist das lange Warten vorbei: Mit dem Eröffnungsspiel Frankreich gegen Rumänien startet am Freitagabend das 15.kontinentale Kräftemessen im europäischen Fußball. Doch es ist in gleich mehrerer Hinsicht keine EM wie jede andere, denn die Euro 2016 nimmt eine ausgesprochene Sonderstellung gegenüber all den bisherigen Titelkämpfen ein. 1960 gestartet im exklusiven Rahmen als Europapokal der Nationen, wuchs nicht nur die sportliche, sondern auch die kommerzielle Bedeutung der EM rapide an - und sie wurde zur drittgrößten Sportveranstaltung weltweit. Hinter Sommer-Olympia und Fußball-WM. Von anfangs 4Teilnehmern stieg deren Zahl stetig auf zunächst 8, dann 16 und ist mittlerweile bei 24angekommen. Womit fast schon jedes zweite Uefa-Mitglied einen Startplatz bekommt.

Damit wäre auch die rein sportlich bedeutsamste Frage - zumindest in der Vorrunde - gestellt, nämlich wie sich die vielen kleinen Nationen und Debütanten, die an einem Großereignis - wenn überhaupt - nur alle paar Jahrzehnte teilnehmen, schlagen werden. Und werden mäßig attraktive Begegnungen wie Albanien-Rumänien, Wales-Slowakei, Nordirland-Ukraine oder Island-Ungarn das neutrale Publikum vor die Fernsehschirme oder ins Stadion locken können? Werden diese kleinen Nationen, diese "Exoten", die bei Fußball-Weltmeisterschaften stets das Salz in der Suppe sind, ebenso das Flair des Großereignisses ausmachen können oder werden sie eher zu dessen Stimmungstötern? Daran anschließend steht natürlich auch der neue Modus auf dem Prüfstand, denn bekanntermaßen ist ein 24er-Feld mit vier (von sechs) Gruppendritten als Aufsteigern keine ideale Lösung, weil so potenzielle Ergebnisabsprachen wieder möglich sind. Es wird also erst zu beweisen sein, ob Fußball-Europa dauerhaft das Potenzial hat, ein so großes Feld in eine Endrunde zu schicken (eine Aufstockung auf 32Nationen ist nämlich definitiv zu hoch gegriffen).

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund exorbitanter Kosten für Infrastruktur- und Sicherheit wird diese Diskussion gewiss noch zu führen sein. Womit wir beim Hauptthema dieser Spiele wären - der Terrorangst in Frankreich. Seit der Horrornacht vom 13. November 2015 ist jedem Spieler, jedem Fan, jedem Bewohner des Gastgeberlandes klar vor Augen geführt, was alles in und um Stadien sowie Fanzonen oder auch nur irgendwo im Land passieren kann. Und dass es genügend Verbrecher gibt, die keine Sekunde zögern werden, ihre perfiden Pläne auch umzusetzen. Die latente Bedrohung ist zu einer realen Angst mutiert und hängt wie ein Damoklesschwert über dieser Euro. Und niemand kann voraussagen, was wirklich passiert, wenn etwas passiert. Die Beteuerungen der Veranstalter, Behörden und Politiker, die Spiele jedenfalls durchzupeitschen und zwar "um jeden Preis", wie allerorten ausdrücklich betont wurde, könnte sich noch als hohle Phrase herausstellen. Das haben schon die jüngsten Länderspielabsagen aufgrund nicht näher erörterter Bedrohungen bewiesen.

Die bisherigen Europameisterschaften sind ausnahmslos als friedliche, völkerverbindende Fußballfeste in Erinnerung geblieben - hoffentlich wird man das auch in vier Wochen über die Euro 2016 sagen können.