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Rasen-Rutschpartie

Von Christian Mayr

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Das Geläuf ist in manchen Stadien einer EM unwürdig. Eine heimische Firma belieferte zwei Problem-Arenen - und nennt die Ursachen.


Derlei Methoden kannte man bisher eher von Sportereignissen à la Olympia in Peking, wo der Schein mehr zählt als das Sein. Manche Beobachter trauten jedenfalls ihren Augen nicht, als am Sonntag vor der Partie des Gastgebers Frankreich gegen die Schweiz die Platzwarte in Lille den devastierten Rasen mit grüner Farbe ansprühten. Geholfen hat diese zweifelhafte Aktion bestenfalls den TV-Konsumenten, die - wie international üblich - mit sattem Grün in HD-Qualität bestrahlt wurden. Für die Spieler, insbesondere die groß gewachsenen Franzosen, war das Geläuf in Lille jedoch vergleichbar mit einem Eislaufplatz, und dementsprechend oft landeten sie auf dem Hosenboden. So wie schon wenige Tage zuvor im Stade Vélodrome zu Marseille gegen Albanien. Und dass Österreichs Kicker gegen Ungarn auch buchstäblich ausgerutscht sind, dürfte den Rasenverhältnissen in Bordeaux geschuldet gewesen sein. Tatsächlich kann sich niemand an derartig miese Platzverhältnisse bei einer Fußball-Großveranstaltung erinnern - was die Uefa zunehmend mit Sorge erfüllt. Schließlich ist noch nicht einmal Halbzeit bei der EM-Endrunde. Als eine Maßnahme wurden und werden die Team-Trainings von den betroffenen Stadien auf umliegende Anlagen verlegt. Auch Österreich könnte durch die alles andere als optimalen Verhältnisse im Stade de France in Saint-Denis von diesem Schongang vor dem Entscheidungsspiel gegen Island am Mittwoch betroffen sein.

Ganz sicher betroffen von dem Rasen-Desaster ist eine niederösterreichische Firma, die das Grün sowohl für Lille als auch für Marseille geliefert hat - die Firma Richter-Rasen. Geschäftsführerin Bianca Götz-Richter weist gegenüber der "Wiener Zeitung" aber die Verantwortlichkeit an den untragbaren Zuständen zurück. Kernaussage: Man habe nur geliefert und sei weder für den Untergrund noch die Verlegung zuständig gewesen - und auch nicht für die tägliche Pflege verpflichtet worden. In Marseille sei das große Problem, dass der Untergrund aus "einem Gemisch mit Plastikfasern besteht, was dem Naturrasen keine guten Voraussetzungen zu Verwurzelung liefert", so Götz-Richter. Außerdem sei das AC/DC-Konzert im Stade Vélodrome einen Monat vor EM-Start kontraproduktiv gewesen. "Danach musste der Rasen neu verlegt werden - und die Uefa hat unseren ausgewählt, weil er der stärkste ist. Aber Marseille hat die meisten Spiele und Trainings, da ist es schwierig." In Lille wiederum habe der tagelange Starkregen dem Grün zugesetzt, verschärft worden sei alles jedoch durch den lehmigen und somit nur schwach durchlässigen Untergrund. In Nizza, wohin Richter-Rasen auch geliefert hat, gebe es übrigens keine Probleme.

Die Frage ist, was sich jetzt noch retten lässt? Theoretisch ließe sich der komplette Stadionrasen tauschen - dass das funktioniert, wissen wir seit der Euro 2008. Damals musste nach der Wasserschlacht zwischen Schweiz und der Türkei in Basel das zerstörte Grün komplett neu verlegt werden. Und war binnen drei Tagen wieder so bespielbar, dass zwei Viertelfinale und ein Semifinale problemlos über die Bühne gehen konnten. Möglich macht so etwas ein extrem schwerer und reißfester Rollrasen. Götz-Richter aber ist skeptisch, dass diese Lösung in Frankreich noch kommt. "Wenn der Untergrund nicht funktioniert, geht der beste und stärkste Rasen k.o."