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Goldene Generationen ohne Krönung

Von Christian Mayr

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Diesmal wäre der EM-Triumph der Portugiesen eine Überraschung - so wie bei anderen Teams gab es bessere, aber titellos gebliebene Generationen.


Sollte Cristiano Ronaldo am Sonntagabend im Stade de France tatsächlich den Coupe Henri-Delaunay in die Höhe stemmen, dann wäre das durchaus eine Sensation: Denn die Portugiesen muss man bei großen Turnieren zwar immer auf der Rechnung haben, aber nicht gerade diese Portugiesen. Schließlich hat die Seleção weder in der jüngeren Vergangenheit, noch in der Vorbereitung und schon gar nicht in der Vorrunde der Euro 2016 durch besondere fußballerische Klasse aufgezeigt. Für Experten war das auch kein Wunder, schließlich gibt es außer Ronaldo und vielleicht Pepe sowie Nani keine wirklich klingenden Namen mehr in der Auswahl, die nun gegen Frankreich dennoch die große Titelchance erhält. Um Jahre zu spät, werden sich viele denken, denn die goldene Generation der Portugiesen, beim Erklingen deren Namen Fußballfeinschmecker heute noch mit der Zunge schnalzen, ist titellos in Pension gegangen: Luís Figo, Nuno Gomes, João Pinto, Rui Costa, Pauleta und Co., die ab Mitte der 1990er Jahre für ein gutes Jahrzehnt einem Titel hinterhergelaufen sind - mit dem Tiefpunkt des verlorenen EM-Finales in der Heimat anno 2004. Damals schon als 19-Jähriger dabei war Ronaldo, der es nun in der Hand hat, mit einer glanzlosen, dafür taktisch umso disziplinierteren Truppe das nachzuholen, was seinen Vorgängern im bordeauxroten Trikot verwehrt geblieben ist. Damit stünde Portugal in guter Tradition mit anderen Nationen, die just zu ihren besten Tagen noch bessere Gegner vorfanden, um dann doch noch belohnt zu werden.

Danish Dynamite: Was für ein Angriffsfußball, was für Offensiv-Spielzüge! Doch das dänische Starensemble um Preben Elkjær Larsen, Søren Lerby und Michael Laudrup fand in den 1980er Jahren bei großen Turnieren vor dem Finale immer irgendwo ihren Meister. Als Danish Dynamite schon verpufft schien, explodierte die als Ersatzkandidat angereiste und völlig neu formierte Urlauber-Elf bei der EM 1992 in Schweden doch noch. Bitter: Michael Laudrup hatte auf die Endrunde verzichtet und verpasste damit den einzigen dänischen Titel.

Der weiße Pelé ohne Pokal: Neben der 1970er-Weltmeistermannschaft um Pelé gilt die Auswahl Brasiliens der WM-Endrunden 1982 und 1986 als beste Seleção aller Zeiten. Doch Zico (der "weiße Pelé"), Falcão, Sócrates, Careca, Éder und Co. konnten ihre Klasse nicht ins Ziel bringen. Dafür beschenkte Zico die Fußballwelt nach dem 2:3-Aus gegen Italien 1982 mit der Wortschöpfung, dies sei "der Tag, an dem der Fußball starb". Die Revanche an Italien sollte mit einer straff organisierten, dafür weniger spielverliebten Seleção, bei der nur Bebeto und Romário herausragten, zwölf Jahre später gelingen: vierter WM-Titel.

Fußball total titellos: Johan Cruyff, Rob Rensenbrink, Johan Neeskens, René van de Kerkhof, Arie Haan - die große Mannschaft der Niederlande der 1970er Jahre scheiterte zwei Mal im WM-Finale mit ihrem "totalen Fußball". Besser konnte man damals nicht spielen, dennoch behielten Deutschland (1974) und Argentinien (1978) die Oberhand. Doch für Bondscoach Rinus Michels und sein Offensivkonzept gab es noch ein Happy End: Ruud Gullit, Marco van Basten, Frank Rijkaard und Co. holten bei der EM 1988 den ersten Titel für die Oranje nach.