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Zwei-Klassen-System ist gewollt

Von Brigitte Pechar

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Ja, wir haben bereits eine Zwei-Klassen-Medizin. Das zeigt - nicht allein - die Entwicklung der Ärztestruktur. Mittlerweile gibt es mehr Wahlärzte in Österreich als Ärzte mit Kassenverträgen. Vor zehn Jahren haben Wahlärzte die Hälfte der niedergelassenen Ärzte ausgemacht, noch vor sechs Jahren lag die Zahl der Ärzte mit Kassenvertrag über jener ohne.

Die Ursachen dafür sind vielfältig. Jungmediziner ziehen es vor, in Spitälern zu arbeiten und ein geregeltes Einkommen zu haben. Als Sahnehäubchen können sie daneben noch immer als Wahlärzte ordinieren. Die neuen Arbeitszeiten in den Krankenhäusern erleichtern dies. Allgemeinmediziner hingegen werden von den Versicherungen nicht gerade umhegt und umpflegt. Zur Veranschaulichung: Die Wiener Gebietskrankenkasse zahlt einem Allgemeinmediziner für einen Patienten 18,74 Euro pro Quartal. Wenn dieser Patient zehnmal im Quartal zum Hausarzt geht, bekommt dieser auch nur 18,74 Euro. Diese Pauschale ist von Kasse zu Kasse unterschiedlich, wobei die WGKK im oberen Bereich liegt Für Injektionen, Infusionen und dergleichen gibt es Sonderleistungen - im einstelligen Euro-Bereich.

Ein Arzt, der ein angemessenes Einkommen erzielen will, muss rund 100 Patienten pro Tag behandeln. Bei einem Acht-Stunden-Tag macht das 4,8 Minuten pro Patient (ohne die notwendigen Dokumentationen). Das führt zu unzufriedenen Patienten und zur Flucht derer, die es sich leisten können, in das Wahlarztsystem. Gleichzeitig ist die Sozialversicherung froh über jeden, der zum Wahlarzt geht, weil das ihre Kassen entlastet - immerhin refundiert sie den Patienten nur 80 Prozent des Kassenarzthonorars. Solange Arzthonorare auf diesem Niveau gehalten werden, wird sich jeder Mediziner mehrmals überlegen, Kassenarzt zu werden. Die Zwei-Klassen-Medizin ist hausgemacht, fast möchte man sagen: gewollt.