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Der Gouverneur verteidigt Sie persönlich

Von Alexander U. Mathé

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Unterfinanziert und überlastet hat der Direktor der Pflichtverteidiger von Missouri eine ungewöhnliche Einberufung ausgesprochen.


Man stelle sich vor, als Angeklagter mittellos vor Gericht zu stehen. Man wartet auf den Pflichtverteidiger und hereinspaziert kommt der Haslauer; oder auch der Pühringer (nicht der Häupl, weil der ist Biologe). Die einen würden ob des prominenten Rechtsbeistands wahrscheinlich verzückt den Freispruch einplanen, andere vielleicht lieber gleich ohne Verhandlung einen Schuldspruch in Kauf nehmen. In den USA wird dieses Szenario gerade Realität. Dafür gesorgt hat Michael Barrett. Er ist der Direktor des Pflichtverteidigungssystems im Bundesstaat Missouri und somit dafür verantwortlich, dass auch wirklich jedem Angeklagten ein Anwalt gestellt wird, wenn er sich keinen leisten kann. Dafür sorgen - im Gegensatz zu Österreich, wo dafür, grob gesagt, jeder eingetragene Anwalt infrage kommt - eigens dafür angestellte Pflichtverteidiger. Gerade in seinem Bundesstaat hat Barrett allerdings keinen leichten Job. Denn die Pflichtverteidigung in Missouri rangiert US-weit an 49. von 50 Stellen. Das besagt zumindest der amerikanische Bundesverband für Rechtsbeistand. Schuld an dieser schlechten Position ist für Barrett der derzeitige Gouverneur von Missouri, Jay Nixon. Er habe gegen Gesetze gestimmt, die die Last der Rechtsfälle gelindert hätten. In der Krise verschreibe Nixon dem Rechtssystem Kürzungen, während er seine eigenen Ausgaben nicht anrühre. Und das, obwohl das Justizministerium laut Barrett klar festgestellt habe, dass arme afroamerikanische Kinder systematisch ihrer Rechte beraubt werden, weil es in Missouri an Pflichtverteidigern mangelt. Das Fass zum Überlaufen gebracht haben dürften die Budgetkürzungen im Juli, die dem System der Pflichtverteidigung statt der vorgesehenen Etaterhöhung von 4,5 Millionen Dollar lediglich eine Million bescherten. Nun kann sich Barrett zwar damit behelfen, private Anwälte einzuberufen, um die Last ein wenig zu erleichtern. Doch das möchte er nach Möglichkeit vermeiden, da "es meine klare Überzeugung ist, dass es falsch ist eine Verpflichtung auf private Anwälte abzuwälzen, die auf keine Weise zur derzeitigen Krise beigetragen haben." Und da Barrett offenbar ein findiger Jurist ist, hat er eine Gesetzeslücke entdeckt, mit der er den seiner Meinung nach Schuldigen an der Misere dazu verknacken kann, als Pflichtverteidiger einzuspringen. Denn das Gesetz erlaubt es ihm, jedes eingetragene Mitglied der Anwaltskammer dazu zu verpflichten und dieser gehört Gouverneur Nixon nicht nur an, er war auch jahrelang der Generalstaatsanwalt von Missouri. "Ich sollte mit dem einen Anwalt beginnen, der das Problem nicht nur geschaffen hat, sondern sich auch noch in der einzigartigen Position befindet, es zu lösen", erklärte Barrett in einem Brief an Nixon, in dem er ihn als Pflichtverteidiger einberief. Die Antwort Nixons steht noch aus.