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Wenn Politiker Politik für Politiker machen

Von Walter Hämmerle

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Dann haben alle anderen ein Problem.


Wer die Politik den Politikern überlässt, sollte sich nicht wundern, wenn sich diese ihre Demokratie auf den Leib zuschneidern. Wohin das führen kann, zeigen die USA mit dem ihnen eigenen Hang zum messianischen Professionalismus. Da ist es durchaus möglich, dass es hin und wieder einem begnadeten Talent gelingt, bei Präsidentschaftswahlen eine Wählerkoalition zu schmieden, die ansatzweise Anspruch erheben kann, die Vielfalt dieses bunten Landes zu repräsentieren. Aber eine Etage tiefer wirkt eine entgegengesetzte Dynamik.

Seit Jahrzehnten arbeiten die US-Parteien daran, politisch möglichst homogene Wahlkreise zu schaffen. Die größte Gefahr für einen Abgeordneten des Repräsentantenhauses besteht hier nicht mehr in einem Herausforderer einer anderen Partei, sondern in einem "Parteifreund" bei internen Vorwahlen. Denn dabei haben zunehmend jene Kandidaten die besten Chancen, welche die "reine Lehre" ihrer Ideologie predigen und Kompromisse als "Verrat" geißeln.

Ein so zusammengesetztes Parlament mag eine wunderbare Bühne für die Aufführung politischer Dramen sein, ein Ort, an dem gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme gesucht und gefunden werden, ist es nicht. Das Problem ist: Jetzt, wo die Folgen offen zutage treten, lässt sich diese Entwicklung nicht einfach wieder rückgängig machen. Schließlich verdankt eine Mehrheit der Abgeordneten genau diesem System den Job im Parlament.

Die USA sind keine Ausnahme, sondern vielmehr ein besonders effizienter Regelfall. Auch in Österreich hat sich die Politik das politische System in einem Ausmaß passend gemacht, dass die Dysfunktionalitäten die Oberhand haben. Anders als in den USA ist in und um Wien herum das Verhältnis- und Proporzsystem in Verbindung mit dem Föderalismus der entscheidende Hebel, mit dem sich das Gros der Parteien Macht und Einfluss sichert.

Politisch lässt sich das nur schwer auflösen: Wesentliche Einflussfaktoren liegen außerhalb der politischen Logik, wie sie durch allgemeine Wahlen zum Ausdruck kommen, etwa die Kammern und sonstigen Verbände und Vereine. In dieser Welt kann Obstruktion Sinn machen, etwa weil ein Erfolg des Mitbewerbers automatisch als eigener Misserfolg interpretiert wird. Politik als Nullsummenspiel eben.

Ein Mehrheitssystem, selbst nur in abgemilderter Form, wäre trotzdem das Mittel zum Zweck, diese Strukturen zumindest in Teilbereichen aufzubrechen. Genau darin liegt auch die Erklärung dafür, dass es auf so vehementen Widerstand bei den meisten Beteiligten stößt. Dass auch ein solches Verfahren nicht vor fataler Dynamik schützt, zeigt die voran beschriebene Entwicklung in den USA.

Gefahrlose alternative Auswege gibt es daneben nicht wirklich. Spätestens seit die Populisten aller Lager die direkte Demokratie als Mittel zum Zweck des eigenen Fortkommens gekapert haben, bleibt nur die mühsame, aber hoffentlich lohnende Arbeit an der Optimierung der fehlbaren Praxis der parlamentarischen Demokratie. Aber auch die sollten wir besser nicht ausschließlich der Politik anvertrauen.