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Trompeten und Posaunen am See

Von Eva Stanzl

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Blauer Himmel an einem Spätsommertag nach Saisonende. Es ist still am Salzburger Fuschlsee. Nur unser Tretboot treibt auf dem Wasser, während wir auf dem Sonnendeck dösen. Auf einmal stören Trompeten, Posaunen und Tschinellen die Ruhe. Wir erblicken jedoch kein Ausflugsschiff mit 100 Touristen. Nur ein rotes Schlauchboot kreuzt in der Ferne den See. Darin steht ein Kofferradio und sitzt mutterseelenalleine ein Mann, der mit dem Oberkörper fröhlich zum Takt wippt.

Jeder hat das Recht auf seinen Geschmack, heißt es. Insofern lasse sich schwer darüber streiten. Forscher des Max Planck Instituts für empirische Ästhetik berichten zudem, dass die Wurzeln menschlicher Vorlieben äußerst komplex sind. Musikgeschmack ist das Ergebnis von Prägung: Die meisten Menschen bleiben jener Musik treu, die sie seit der Jugend lieben. Andere Vorlieben dienen der Bildung: Gebildete Menschen erweitern mit Trash-Filmen ihr Spektrum. Somit gäbe es also jeden Grund, bezüglich Geschmacksverwirrungen tolerant zu bleiben. Und dennoch können ganze Beziehungen daran scheitern. Nach Immanuel Kant sind ästhetische Urteile nämlich eben doch nicht rein subjektiv zu sehen. Sie sind zwar subjektiven Ursprungs, haben aber Anspruch auf Allgemeingültigkeit: Wer über die Schönheit urteilt, ist zugleich der Ansicht, dass andere seinem Urteil zustimmen sollten. Schönheitsempfinden will geteilt werden und die Unfähigkeit dazu wird persönlich genommen. Und so gesehen war der Mann mit dem Kofferradio, der sich ohne Partnerin in seinem Schlauchboot aufmachte, immerhin bauernschlau.