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Brisanter Feiertag

Von Martyna Czarnowska

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Ein Referendum droht die politischen Gräben in Bosnien-Herzegowina noch zu vertiefen.


Samir ist zunehmend frustriert. Dass es um sein Land nicht zum Besten steht, weiß er zwar schon seit längerem. Doch dass die Chancen auf eine positive Entwicklung in Bosnien-Herzegowina so gering sind, macht dem Mittdreißiger immer mehr zu schaffen. Ebenso wie die Dissonanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit, Möglichem und Machbarem. Das merkt Samir etwa bei seinen Stadtführungen durch Sarajevo, einem von mehreren Jobs, mit denen er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Den ausländischen Gästen erzählt er dabei von der von etlichen Kulturen und Religionen geprägten Geschichte des Ortes, vom Zusammenleben verschiedener Volksgruppen, von den Einflüssen des Osmanischen und des Habsburger-Reiches. Und im Stadtbild ist es ja zu sehen: Da steht die orthodoxe Kirche unweit der Synagoge, und in der Nähe reckt sich das Minarett der Moschee in die Höhe. Um fünf Uhr Früh ruft der Muezzin zum Gebet; drei Stunden später läuten die Kirchenglocken.

Doch Samir kennt auch den Alltag hinter der multikulturellen Fassade, und an diesen Berichten ist nicht jede Touristengruppe interessiert. Der Großteil der Serben, die in Sarajevo gelebt haben, sei weggezogen. Gemischte Ehen, wie sie vor den Kriegen der 1990er Jahre gang und gäbe waren, seien mittlerweile eine Rarität. Religion und Nation, um die sich früher keineswegs alle Gespräche gedreht hatten, seien auf einmal zu einem Unterscheidungsmerkmal geworden.

Und so mancher Politiker will aus den Differenzen, die er zur Ideologie erhoben hat, Kapital schlagen. Die administrative Schwäche Bosniens lässt sich dafür leicht nutzen: Das Land ist ein Staatengebilde, dessen Entstehung 1995 ein internationaler Vertrag besiegelt hat und das die zwei Teile Republika Srpska sowie die Föderation Bosnien und Herzegowina miteinander verbindet. Geeint ist es dennoch nicht - die Grenzen in der Föderation ziehen sich sogar durch die Hauptstadt, die Verwaltungsstrukturen sind zersplittert.

Den Gesamtstaat erkennt auch nicht jeder Politiker an. Dazu gehört Milorad Dodik, Präsident der Republika Srpska. Immer wieder hat er von einer Loslösung des Landesteils gesprochen; von einer Vereinigung mit Serbien war ebenfalls schon die Rede. Doch statt ein Referendum darüber hat er nun ein anderes durchgesetzt - zu einem Feiertag.

Diesen hat das Verfassungsgericht untersagt, weil das Datum nicht nur positive Erinnerungen weckt. Es geht um den 9. Jänner. 1992 wurde an dem Tag die Serbenrepublik abgespalten. Es folgte ein Krieg. Außerdem können mit einem orthodoxen Festtag nicht alle Katholiken und Muslime etwas anfangen. Das dürfte Dodik weit weniger kümmern als der Versuch, mit dem Referendum zur Beibehaltung des Feiertags seine Position zu stärken. Eine Woche später, am 2. Oktober, finden in Bosnien Lokalwahlen statt.