Zum Hauptinhalt springen

Ex-Asylwerberin will Präsidentin werden

Von Alexander U. Mathé

Kommentare
Alexander U. Mathé

Fadumo Dayib floh vor fast drei Jahrzehnten aus Somalia - nun kehrt sie zurück und kandidiert bei den ersten freien Wahlen seit 1967.


Fadumo Dayib ist Finnin und will Präsidentin werden. Allerdings nicht von Finnland, sondern von Somalia, also von jenem Land, aus dem sie vor 26 Jahren floh. Damals legte Fadumos Familie alles Geld zusammen, um das Mädchen und seine zwei jüngeren Geschwister in Sicherheit zu bringen. Damals, Anfang der 1990er Jahre, spitzte sich der Bürgerkrieg in Somalia gerade zu. Die Aktion kam in der sprichwörtlich letzten Sekunde, denn Fadumo erwischte gerade noch einen der letzten Flieger, die damals das Land verlassen konnten. So machte sich die damals 18-Jährige auf, ihre heiße und von blutigen Kämpfen gezeichnete Heimat gegen eine neue, kalte, aber friedliche zu tauschen. Eigentlich sollte sie in Rumänien landen, doch bei einem Zwischenstopp in Moskau half ihr ein Russe, Ein-Tages-Visa für Russland zu ergattern. Also blieb sie zuerst in Moskau, von wo aus sie sich dann mit einem Schmuggler auf den Weg nach Finnland machte. Mittellos und minimal gebildet (sie hatte erst im Alter von 14 Jahren lesen und schreiben gelernt), landete sie als Asylwerberin in Helsinki. A priori ist das nicht die beste Voraussetzung für ein erfolgreiches Leben, doch Fadumo war wild entschlossen, diese eine Chance, die sie unter größten Opfern der Familie erhalten hatte, zu nutzen. Sie holte die Schulbildung nach, absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester, schloss das Studium der Gesundheitswissenschaften an der Universität Kuopio ab und hängt noch einen Master in öffentlicher Verwaltung an der amerikanischen Eliteuniversität Harvard dran. Schließlich wurde sie Krankenschwester auf der Intensivstation in einer finnischen Universitätsklinik. Doch als sie erfuhr, dass in Somalia im Oktober die ersten demokratischen Wahlen seit 1967 stattfinden sollen, hörte sie den Ruf ihrer Heimat und bewarb sich als Präsidentschaftskandidatin. Nicht, dass die Lage dort inzwischen viel rosiger geworden wäre: Klans und Kriegsherren beschneiden den Herrschaftsbereich der Regierung, Piraten treiben ihr blutiges Unwesen und die islamistische Terrororganisation Al-Shabaab zieht brandschatzend durchs Land. Auch, dass es wirklich demokratische Wahlen werden, schließt Dayib - so wie viele Beobachter - aus. Doch die Kandidatur gibt der 44-Jährigen die Gelegenheit, die Bevölkerung darauf hinzuweisen, dass ein anderes Leben möglich wäre - ein Leben ohne Gewalt an und Genitalverstümmelung von Frauen, ein Leben ohne Blutvergießen, dafür mit Wirtschaftswachstum und sozialer Sicherheit. Diese Nachricht unter die Bevölkerung zu bringen, ist ihr wichtiger als die tatsächlichen Erfolgsaussichten, die Wahl zu gewinnen, die sie selbst irgendwo bei null sieht. Und doch mangelt es ihr gleichzeitig nicht an Selbstbewusstsein, wie man an der Erklärung dazu gegenüber der britischen Zeitung "The Guardian" erkennen kann: "Jemand, der kompetent und qualifiziert ist, wird niemals gewinnen. Zumindest nicht jetzt. Doch wer weiß, vielleicht bei den theoretisch nächsten Wahlen im Jahr 2020." Diese könnten die ersten wirklich freien und demokratischen Wahlen in Somalia werden, glaubt Fadumo Dayib: "Und dann werden wir gewinnen."