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Als Frauen offiziellen Schutz erhielten

Von Alexander U. Mathé

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Alexander U. Mathé

Vor zehn Jahren wurde in Brasilien ein innovatives Gesetz gegen häusliche Gewalt verabschiedet, doch die Missstände bestehen weiter.


Jeder dritte Mensch in Brasilien glaubt, dass im Falle einer Vergewaltigung der Frau die Schuld zu geben ist. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Umfrage des brasilianischen Forums für Öffentliche Sicherheit. Jede fünfte Frau in Brasilien gibt an, schon einmal Opfer von Gewalt geworden zu sein (eine Zahl, die sich übrigens mit jener in Österreich deckt). Bei der Hälfte der Fälle handelt es sich beim Aggressor um den Ehemann oder Lebensgefährten und in 21 Prozent der Fälle um den Ex. Vergewaltigung und Frauenmord stehen in Brasilien ebenso an der Tagesordnung wie verzweifelte Proteste dagegen. Kaum auszumalen, wie die an sich schon bedenkliche Situation ohne Maria da Penha aussehen würde. Diesen Monat jährt sich zum zehnten Mal der ihr geschuldete Durchbruch, der Brasilien ein Gesetz gegen häusliche Gewalt und Gewalt gegen Frauen gegeben hat. Maria war eine junge Pharmaziestudentin in Sao Paolo, als sie einen herzlichen und hilfsbereiten jungen Mann kennenlernte. Sie verliebte sich Hals über Kopf in den kolumbianischen Lehrer und heiratete ihn 1976 im Alter von 22 Jahren. Doch schon bald zeigte er eine andere Seite von sich. Er begann Maria und ihre Kinder aus heiterem Himmel zu verprügeln. Die gemeinsame zweijährige Tochter beispielsweise verdiente sich seiner Meinung nach kräftige Schläge, weil sie sich im Sitzen angemacht hatte und beim Versuch, sich an der Wand aufzurichten, mit der nassen Hand einen Fleck gemacht hatte. Maria da Penha verzweifelte zusehends; den Weg der seinerzeit noch verpönten Scheidung wollte sie nicht gehen. Dann kam jene schicksalhafte Nacht im Mai 1983. Maria wachte in der Nacht von einem lauten Knall auf und konnte sich nicht bewegen. - Ihr Mann hatte ihr in den Rücken geschossen. Die aufgeschreckten Nachbarn stürmten zu Hilfe und brachten Maria, die ab diesem Zeitpunkt querschnittgelähmt war, rechtzeitig ins Spital, um ihr Leben zu retten. Der Polizei erzählte der Göttergatte eine andere Version: Die Familie sei überfallen worden, der Schuss von Verbrechern abgegeben worden. Die Geschichte überzeugte. Wieder zu Hause, wurde Maria von ihrem Mann unter Arrest gestellt, jeglicher Kontakt zur Außenwelt unterbunden. Als sie heimlich versuchte, gerichtlich gegen ihn vorzugehen, unternahm er einen letzten Versuch, sie umzubringen: Mit einem Stromschlag unter der Dusche, den sie überlebte. Danach gelang ihr die Flucht. Mehr als 19 Jahre lang kämpfte Maria da Penha darum, ihren Mann hinter Gitter zu bekommen. Nach mehreren Berufungen wurde er schließlich 2002 zu einer achtjährigen Haftstrafe verurteilt, von der er aber nur ein Jahr absitzen musste. Doch für Maria ging es inzwischen um mehr als sich selbst. Sie startete eine Kampagne für eine Gesetzgebung zum Schutz von Frauen - mit Erfolg. Am 22. September 2006 trat ein nach ihr benanntes Gesetz in Brasilien in Kraft, das Strafen für häusliche Gewalt stark verschärfte und Neuerungen wie ein Wegweisungsrecht einführte. Die inzwischen 71-jährige Initiatorin ist noch heute aktiv im Kampf für Frauenrechte. Das nach ihr benannte Gesetz sei ein großer Triumph, aber nur ein erster Schritt erklärte sie. Die aktuellen Umfragen geben ihr recht.