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Der Strippenzieher des Brexits

Von Alexander U. Mathé

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Alexander U. Mathé

Ein Vierteljahrhundert lang arbeitete der EU-Abgeordnete Daniel Hannan für einen EU-Austritt Großbritanniens.


Der erste Schock (oder Jubel, je nach-
dem) über das Bye Bye der Briten ist vorüber und viele Väter des Brexits wurden bereits identifiziert: ein Premier, der Innenpolitik auf Kosten der Außenpolitik betrieb; eine EU, die sich für viele Menschen zu tief in nationale Angelegenheiten einmischt; die Flüchtlingskrise; Nein-Sager, die von einem Ja ausgingen usw. Doch ein maßgeblicher Mastermind des EU-Austritts fand in der Öffentlichkeit bisher kaum Beachtung: Daniel Hannan. Der Sohn einer Schottin und eines Nordiren wurde 1971 in Lima geboren und wuchs auf einer Hühnerfarm nahe der peruanischen Hauptstadt auf. Nach - mit antikolonialistischen Ressentiments gewürzten - Staatsstreichen kehrte die Familie nach Großbritannien zurück. Hannan, so heißt es, habe sogleich einen ausgesprochen starken Patriotismus entwickelt. Nach der Schule studierte er Geschichte an der Universität von Oxford. Während dieser Zeit kam es zu einem für Hannan prägenden Ereignis: Nachdem im Dezember 1990 der britische Premier John Major einem Entwurf zum Maastricht-Vertrag (Währungsunion, gemeinsame Außen-, Sicherheits- und Rechtspolitik) unterzeichnet hatte, war sich der damals 19-jährige Hannan sicher, dass gerade etwas fundamental falsch lief in seinem Land. Von Ideen der Deregulierung und Souveränität beseelt, beschloss er, dagegen aktiv zu werden. Er startete die "Kampagne für ein unabhängiges Großbritannien", wurde in weiterer Folge zum Präsidenten der konservativen Studentenverbindung der Universität gewählt und fuhr einen stark europakritischen Kurs. 1992 rebellierten einige konservative Abgeordnete gegen den Vertrag von Maastricht. Zwar scheiterten sie, waren aber offenbar Helden für Hannan. Er diente sich ihnen als Forscher an. Einige schlugen ein und gründeten die European Research Group mit Hannan als Geschäftsführer. Noch heute ist er davon überzeugt, dass die landesweit übertragenen Proteste, die er damals anführte, den Beitritt Großbritanniens zum Wechselkursmechanismus verhinderten, der das Pfund an den Euro gebunden hätte. Hannan wurde Direktor der europaskeptischen Denkfabrik Bruges Group. Sein Agieren im Hintergrund war es Nachforschungen des "Guardian" zufolge, das spätere Politiker wie Außenminister Boris Johnson erst gegen die EU "radikalisierte". "Es ist wie ein Film", erklärte der frühere konservative und heutige Ukip-Abgeordnete Douglas Carswell gegenüber der britischen Zeitung. "Die Typen auf der Leinwand sind brillant. Aber das Skript wurde von Hannan geschrieben und der Film großteils von ihm produziert." 1999 trat er selbst bei den Europawahlen an und schaffte es, als Abgeordneter nach Brüssel zu gehen. Als solcher machte er - letztlich erfolglos - gegen den Lissabon-Vertrag (noch stärkere EU-Integration) mobil. Er leitete auch die Kampagne, die die Konservativen aus dem Verbund der Europäischen Volksparteien in die neu gegründete europakritische Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer führte. 2012 schließlich soll er Matthew Elliott, den Chef eines der einflussreichsten britischen Think Tanks, TaxPayers Alliance, davon überzeugt haben, die "Vote Leave"-Kampagne ("Stimm für den Austritt") ins Leben zu rufen. Was dieser dann mit krönendem Erfolg tat.