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Fischige Verhaftung in Vietnam

Von Alexander U. Mathé

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Kritischer Bloggerin drohen bis zu zwölf Jahre Haft.


Nachdem im heurigen Frühling hunderte (manche sagen tausende) Tonnen verendeter Fische an die vietnamesische Küste gespült wurden, haute Nguyen Ngoc Nhu Quynh in die Tasten. Sie ist eine der prominentesten Bloggerinnen ihres Landes und prangert unter anderem Menschenrechtsverletzungen, Korruption und soziale Missstände an. In diesem Fall empörte sie sich darüber, dass ein taiwanesischer Stahl- und Chemiekonzern giftige Abwässer ins Meer geleitet hatte, die das Fischsterben verursacht haben. Doch das war noch nicht alles. Auch das Vorgehen der kommunistischen Ein-Parteien-Regierung empörte sie. Nach anfänglichem Stillschweigen seien lediglich tröpfchenweise Informationen über die schlimmste Umweltkatastrophe, die das Land je gesehen hat, über die staatlich kontrollierte Presse an die Bevölkerung gelangt, heißt es. Nguyen wurde zum Sprachrohr vieler Fischer, die durch das Desaster ihre Lebensgrundlage verloren haben. Sie berichten davon, dass der Fischverkauf um 90 Prozent zurückgegangen sei. Eine Entschädigung wurde ihnen gerichtlich verwehrt, da sie nicht ausreichend Beweise für einen entstandenen finanziellen Schaden erbringen konnten. Das, obwohl der Chemiekonzern nach dem Vorfall 450 Millionen Euro an die vietnamesische Regierung gezahlt hat. Bei den Behörden Vietnams, das in der Rangliste der Pressfreiheit auf dem 175. von 180 Plätzen liegt, kommt Nguyens Engagement nicht gut an. Die mit dem Menschenrechtspreis der schwedischen Civil Rights Defenders ausgezeichnete Bloggerin wurde vor kurzem verhaftet, berichtet die vietnamesische Zeitung "Tuoi Tre". Außerdem wurde ihr Haus durchsucht und ihr Computer beschlagnahmt. Ihre Facebook-Seite beinhalte 400 Artikel, die "eine pessimistische und einseitige Sichtweise vertreten, die beim Leser Verwirrung stiften und sein Vertrauen in den Staat schmälern könne". Der Vorwurf gegen die 37-Jährige lautet auf "Propaganda gegen Staat". Auf dieses Vergehen steht eine Haftstrafe von bis zu zwölf Jahren. Damit wolle die Regierung vor allem den vietnamesischen Blogger-Nachwuchs einschüchtern, erklären Insider. Denn für viele ist Nguyen zu einem leuchtenden Vorbild des engagierten Journalismus geworden. Unermüdlich schreibt sie gegen Misswirtschaft und den Umgang mit politischen Gefangenen an und scheut dabei auch nicht den Konflikt mit den Behörden. 2009 wurde sie schon einmal verhaftet. Da hatte sie Landenteignungen publik gemacht, zu denen es gekommen war, um Platz für eine umstrittene Bauxitmine zu schaffen. Damals wurde sie wieder freigelassen. Das sähen die USA und die EU, die sich in den Fall eingschaltet haben, jetzt gerne wieder und haben die vietnamesische Regierung aufgerufen, Nguyen Ngoc Nhu Quynh freizulassen.