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Ausgerechnet Österreich

Von Walter Hämmerle

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Wider alle Erwartungen hat Österreich noch immer die Chance, die Welt zu retten.


Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet die beiden Vorzeigemodelle des westlich-demokratisch-kapitalistischen Überlegenheitsanspruchs jetzt auf Schlingerkurs sind. Dabei galt es doch irgendwie als ausgemacht, dass es Österreich als erstes Land erwischen werde. Und dann waren es Ungarn, Polen und jetzt - wider alle Wahrscheinlichkeit - Großbritannien und die USA, die im Feuilleton schlecht aussehen.

Und ausgerechnet Österreich könnte, sofern nur - angesichts des zu erwartenden knappen Ausgangs - die richtigen paar tausend Wähler ihr Kreuzerl am 4. Dezember an der richtigen Stelle machen, auf den Titelseiten der Weltmedien als neues Bollwerk gegen die Kräfte einer neuen Finsternis dastehen. Oder eben als nächster Kumpel in jenem Bergwerk, wo die liberale Demokratie abgebaut wird. Oder so ähnlich. Geschichte hat einen eigenen Sinn für ironische Brechungen.

Dazu passt auch, wie die Briten in ihr Brexit-Dilemma stolperten. Wie nicht anders zu erwarten, kam das Unheil von jenseits des Kanals, allerdings nicht aus "Brüssel", sondern aus Frankreich (na ja, aus Genf, wenn man es genau nimmt). Statt nämlich weiterhin auf ihren gesunden Skeptizismus zu vertrauen und allein schon deshalb allen berufsmäßigen Weltverbesserern zu misstrauen, verfielen die britischen Eliten auf den fatalen Einfall, es einmal mit etwas Neuem zu probieren. Und landeten dabei bei den seltsamen Ideen Jean-Jacques Rousseaus, der felsenfest überzeugt war, dass es so etwas wie einen allgemeinen und noch dazu einheitlichen Willen des Volkes, der sich noch dazu politisch äußern lässt, geben könnte. Dass die britische parlamentarische Demokratie seit ihrem Bestehen das genaue Gegenteil beweist, änderte nichts daran, dass sich die konservative Regierung auf die Suche nach diesem Volkswillen begab und eine Volksabstimmung fand.

Apropos Frankreich: Kein Geringerer als (der Franzose) Alexis de Tocqueville kam bei der Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum sich die Französische Revolution von 1789 zu einem Terrorregime von erstaunlicher Grausamkeit entwickelte und die amerikanische von 1776 nicht, unter anderem zu der Einsicht, dass die Franzosen abenteuerlustigen Intellektuellen viel zu viel Einfluss auf die Staatsgeschäfte gewährten. Und die Amerikaner eben nicht.

Darüber könnte man tatsächlich einmal grundsätzlich nachdenken und keineswegs nur in Frankreich, obwohl die Regierenden und Intellektuellen dort immer noch eine mitunter fatale Bettgemeinschaft teilen. Man denke nur an Bernhard-Henri Lévys Drängen gegenüber Nicolas Sarkozy auf eine Intervention in Libyen 2011.

Den Vorwurf, dass Intellektuelle in den USA einen ungebührlich großen Einfluss haben, kann man den USA dagegen eher nicht machen, und mit der Wahl Trumps weniger denn je.

Äußerungen de Tocquevilles zur Rolle der Intellektuellen in Österreich sind nicht bekannt. Wirklich Einfluss auf die Staatsgeschäfte üben sie nicht aus. Und wenn, dann am ehesten noch in dem Sinne, dass die Politik genau das Gegenteil von dem macht, was die Intellektuellen wollen würden. Ob aus Protest, Kalkül oder Ignoranz ist noch nicht erforscht.