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Chinese, Christ - und Ketzer?

Von Alexander U. Mathé

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In Indonesien ist der Gouverneur von Jakarta wegen Blasphemie angeklagt.


Basuki Tjahaja Purnama ist Chinese und auch noch Christ. Damit gehört der 50-Jährige in Indonesien gleich zwei Minderheiten an. Das störte eigentlich niemanden. Im Gegenteil - das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt gilt als (verhältnismäßig) tolerant. Und so passte es auch, dass mit Purnama ein christlicher Chinese zum Gouverneur der Hauptstadt Jakarta avancierte. Doch politischen Beobachtern zufolge werden in letzter Zeit zunehmend Ressentiments gegen Minderheiten geschürt. Das trifft einerseits ethnische Chinesen, die zwar nicht einmal zwei Prozent der Bevölkerung ausmachen, dafür aber zu den großen Fischen der Volkswirtschaft zählen. Andererseits trifft es Nicht-Muslime, denen in wachsendem Maße Fundamentalisten des Islam gegenüberstehen. Das wurde auch Purnama zum Verhängnis, der sich seit einigen Wochen im Wahlkampf befindet. Im Februar wählen die Hauptstädter nämlich ihren Gouverneur, und Purnama will seinen Sessel behalten. Zu seinen Gegnern gehört die Islamische Verteidigungsfront. Die verweist schon einmal auf den Koran, in dem stehe, dass Muslime keine Bündnisse mit Juden oder Christen eingehen sollen. Demzufolge sei es für einen Moslem nicht zulässig, einen Ungläubigen zu wählen. Das wiederum war für Purnama nicht nachvollziehbar. In einer Wahlkampfrede vor Fischern erklärte er, dass diese Einschätzung mancher muslimischer Theologen falsch sei. Diese Infragestellung brachte ihm eine Anzeige wegen Blasphemie ein. Ein Video heizte die Stimmung zusätzlich an, in dem einzelne Aussagen Purnamas aus dem Kontext gerissen wurden und so den Eindruck einer Kampfrede gegen den Islam erweckten. Hunderttausende Menschen gingen in Jakarta auf die Straße und protestierten gegen den Gouverneur, der sich als Nicht-Moslem anmaßte, den Koran zu interpretieren. In seiner Stellungnahme vor Gericht erklärte Purnama unter Tränen, dass es niemals seine Absicht gewesen sei, den Islam schlechtzumachen. Er habe lediglich anprangern wollen, dass seine politischen Gegner die Verse des Korans missbrauchten, um gegen ihn Stimmung zu machen. So ungewöhnlich die Anklage ist, so schlecht stehen die Chancen Purnamas auf einen Freispruch. Denn den hat es in der mehr als 50-jährigen Geschichte des Blasphemiegesetzes in Indonesien fast nie gegeben. Im Verurteilungsfall drohen dem Gouverneur neben dem Ende seiner Karriere bis zu fünf Jahre Gefängnis. Die Urteilsverkündung ist für Dienstag nächster Woche angesetzt und sie wird wohl ein Gradmesser dafür sein, wie es um die Toleranz in Indonesien tatsächlich bestellt ist sowie dafür, was von dem Land in Zukunft zu erwarten ist. Denn muslimische Fundis wollen seit längerem das säkulare System zu Fall bringen. Wird Purnama unter diesem fadenscheinig anmutenden religiösen Grund aus dem Amt gehebelt, werden die Weichen des Landes ein Stück weiter in Richtung Islamismus gestellt.