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Die Revanche der Nerds

Von David Ignatius

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Der Autor war Chefredakteur der "International Herald Tribune". Seine Kolumne erscheint auch in der "Washington Post".

Die Zukunft der unvollständig reformierten CIA in der neuen US-Regierung ist ungewiss.


Nicht die russischen Hackerangriffe oder die Kriege im Nahen Osten machten CIA-Chef John Brennan in den letzten Jahren das meiste Kopfzerbrechen, sondern die von ihm so genannte Modernisierung seines Geheimdiensts. Im Bemühen, die Leistung zu verbessern, hat Brennan zwei Abteilungen zusammengelegt: Operation, die berühmten Spione, und Analyse, die zwar weniger glamourösen, aber nicht weniger wichtigen Bearbeiter des Geheimdienstmaterials. Für Außenstehende mag das nach einer kleinen bürokratischen Umstellung aussehen, aber innerhalb der CIA, mit ihrem grimmig gehüteten Lehenswesen, war das wie das Einschlagen einer Granate. Unter einigen Kollegen löste Brennans Modernisierung eine kleine Rebellion aus. Ein paar der rangältesten Spione quittierten empört den Dienst. Wird Brennans Umbildung nach Verlassen seines Postens am Freitag, mit dem Beginn der neuen Regierung, Bestand haben? Der künftige US-Präsident Donald Trump hat die Geheimdienste wörtlich mit Nazideutschland verglichen und Brennan als "nicht gut" gebrandmarkt und als Lieferanten von "Fake News", und so wird die Zukunft von Brennans Modernisierung intensiv diskutiert. Nach Trumps Wahlsieg sagte mir Brennan ganz offen in einem Interview: "Ich denke, es wäre verrückt - und es wäre verhängnisvoll für die CIA und die nationale Sicherheit -, wenn jemand hier hereinkäme und sagte, diese Modernisierung ergibt keinen Sinn, und sie auseinandernehmen würde." Brennan-Nachfolger Mike Pompeo, Kongressabgeordneter aus Kansas, sagte vorige Woche dem Senat, das Ziel der Reform sei sinnvoll, aber bei der Durchführung sei noch Arbeit nötig. In den letzten Monaten habe ich mehrere Dutzend CIA-Offiziere und Veteranen interviewt und bin zu dem Schluss gekommen, dass man Brennans Reformen fortführen sollte, allerdings nur mit Anpassungen. Die CIA muss schlanker werden, glatter und fähiger, geheim zu operieren. Einige von Brennans Reformen haben Komplikationen und Verwirrung gebracht. Aber obwohl das neue System komplizierter ist, sei es auch nützlich, sagte mir ein hochrangiger Operationsoffizier: "Wir besprechen uns und arbeiten nicht mehr isoliert." Um die CIA besser zu verstehen, sollte man sie sich als schicke Highschool vorstellen: Die Coolsten am Campus waren immer schon die Spione. Die Analysten sind die Uncoolen - gescheit, kleinlich, sozial introvertiert. Es ist vielsagend, dass zwei frühere hochrangige Operationsoffiziere Brennans Reformen als "Revanche der Nerds" beschreiben. Brennan, ein harter Irisch-Amerikaner, ist seit 37 Jahren in der CIA. Anfangs hatte er gehofft, Ops-Mitarbeiter zu werden, landete aber bei den Analysten. Wenn er über die Ops in ihren Elfenbeintürmen redet, kommt sein Ärger zum Vorschein. Pompeo wird mit großer interner Unterstützung beginnen und mit einer reinen Weste. Dank Trumps verwegenen Kommentaren über die Nazis, bringt es die CIA in der Öffentlichkeit ausnahmsweise auf einige Sympathiewerte. Brennan hat mit seinem Eigensinn die CIA wohl mehr verändert als jeder seiner Vorgänger. Was er hinterlässt, ist aber immer noch im Rohbau.

Übersetzung: Hilde Weiss