Menschen mit zu viel Macht gelten gemeinhin als die größte Gefahr für Demokratie und liberalen Rechtsstaat. Das ist - abgesehen von den damit einhergehenden offensichtlichen Nachteilen - immerhin praktisch für berufsmäßige Gegenspieler wie die Opposition und kritische Medien. Macht verlangt schließlich nach Kontrolle und besonders viel Macht nach besonders skrupulöser Kontrolle.

Im Gegensatz zum populären Vorurteil, wonach Österreichs Elite allenfalls nur widerwillig Lehren aus der Geschichte zieht, ist ihre Bilanz in Sachen Machtkontrolle supersauber. Mag die classe politique sich an den letzten Fürsten dieser Republik, den Landeshauptleuten, abarbeiten, das wahre Kunststück liegt in der Art und dem Ausmaß, wie es gelungen ist, jede Form der persönlichen Verantwortung zu verwischen.

Noch gut in Erinnerung ist etwa die Schnitzeljagd, auf die Journalisten geschickt wurden, die einfach nur wissen wollten, wer denn eigentlich in der Stadt Wien für die Aufstellung von Denkmälern letztlich zuständig ist. Bis heute gibt es darauf keine klare Antwort, jedenfalls dann nicht, wenn plötzlich Widerstand auftaucht, wie es beim geplanten und dann gestoppten Ho-Chi-Minh-Denkmal im Donaupark der Fall war.

Politisch substanzieller und demokratiepolitisch schwerwiegender ist die Anonymisierung politischer Entscheidungsmechanismen in so zentralen Fragen wie der Gesundheits- und Bildungspolitik. Dabei geht es nicht darum, dass Verhandlungslösungen und Kompromisse als solche diskreditiert werden. Die gehören zur Politik wie das Salz in die Suppe, allerdings muss klar nachvollziehbar sein, wer alles mit welchem Mandat am Verhandlungstisch sitzt.

Weil dies in der österreichischen Politik zu oft nicht, oder jedenfalls nicht mit der notwendigen Sicherheit nachvollziehbar ist, lassen sich auch politische Verantwortlichkeiten nicht zuordnen und einfordern. Das erschwert nicht nur die Kontrolle der Mächtigen, es macht sie geradezu unmöglich. Diese Erkenntnis zieht sich durch nahezu sämtliche Skandale der letzten Jahrzehnte.

So gesehen ist es ein schönes Signal, dass sich die Regierung nun durchgerungen hat, künftig die Verantwortung für das Verbot von Wahlkampfauftritten ausländischer Politiker zu übernehmen. Damit müssen Bezirks- oder Gemeindeämter solche nicht länger mit Verweisen auf fehlende Parkplätze, Fluchtwege oder WC-Anlagen untersagen. Die Durchsetzung politischer Grundsatzentscheidungen mit den Mitteln des kakanischen Verwaltungsstaats war seit jeher einer selbstbewussten Demokratie unwürdig.

An der habituellen Intransparenz politischer Entscheidungen trägt auch die Verfassung zumindest Mitschuld. Zwar stärkt das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit die Autonomie eines Ressortchefs, dem steht jedoch das Gebot der Einstimmigkeit bei Regierungsbeschlüssen gegenüber. Und dann ist da noch diese Sehnsucht nach dem perfekten, alle zufrieden machenden Kompromiss. Doch möglichst vielen ein Mitspracherecht einzuräumen, macht Politik nicht besser, sondern undurchsichtiger. Und de facto unkontrollierbar. Weil die Verantwortung verwischt. Und das ist das Gegenteil von Demokratie.